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Friedrich Kapp: Reinhold Solger. In: Aus und über Amerika, Band 1

Die geistige Atmosphäre von Washington sagte Solger im Ganzen wenig zu. „Leider bin ich hier unter Larven die einzige fühlende Brust“, schrieb er mir einmal, „d. h. Gläubige finde ich wohl, aber keinen Freund, keinen Gefährten.“ „Ueber die Möglichkeit gegenseitiger Verständigung zwischen dem deutschen und amerikanischen Geiste“, bemerkte er ein ander Mal, „habe ich meine wohlbegründeten Zweifel. Ich aß gestern Abend bei dem Minister Ch. Nach Tische sprachen wir von den Chinesen. Ch. und ein Senator B. bewunderten diese Asiaten natürlich wegen ihrer hohen Zivilisation und Kunstfertigkeit. Ich sagte ihnen, es fehle denselben das Ideale, worauf mir entgegnet wurde, sie machten doch ausgezeichnete Bilder. Mein Gastfreund führte dann die Autorität eines Optikers an, wonach die Bilder keines Volkes das Mikroskop so aushielten wie die chinesischen. Ich ließ den Gegenstand fallen. Uebrigens kommt es unter dem vereinten Einflusse der Demokratie und des Industrialismus mit Deutschland noch einmal ganz eben dahin. Die einzige Hoffnung ist dann, daß die Italiener und die Neger zu viel liederliches Blut haben, um in dem Chinesenthum aufzugehen. – Im Uebrigen befestigt sich hier meine Stellung. Ich werde in den verschiedenen Bureaus als allgemeines Wörterbuch betrachtet, was hier der Begriff vom Universalgenie ist. Heute soll ich eine Entscheidung abgeben, in welcher es sich um Zink handelt. Der betreffende Kommissär ließ mich ausdrücklich als Experten dazu rufen. Mit dem Amte kommt natürlich der Verstand. Oxenstierna war ein weiser Mann, ein großer politischer Denker, aber er kannte Washington nicht, denn sonst hätte er gesagt, daß die Welt mit gar keiner, statt mit wenig Weisheit regiert wird.“

Englisch geschrieben hat Solger hier zu Lande wenig. Seine bedeutendste Leistung sind seine Briefe über den Krimkrieg, welche er 1855 im N. Y. Independent veröffentlichte; sie bilden einen der werthvollsten Beiträge zur Tagesgeschichte jener Zeit und zeichnen sich ebenso sehr durch großartige politische Gesichtspunkte, als philosophische Tiefe und wahrhaft klassischen Stil aus. Die Redaktion jenes Blattes honorirte jeden Brief doppelt so hoch als die übrigen Beiträge, ein deutlicher Beweis dafür, welchen Werth sie darauf legte, Solger zu ihren Mitarbeitern zu zählen. Im Jahre 1860 übersetzte und übertrug er seinen Reichstagsprofessor hier in’s Englische unter dem Titel: „The Hon. Anodyne Humdrum, or


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Friedrich Kapp: Reinhold Solger. In: Aus und über Amerika, Band 1. Verlag von Julius Springer, Berlin 1876, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kapp,_Aus_und_%C3%BCber_Amerika,_Band_1,_S_368.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)