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839 Die Architectonik der reinen Vernunft. 839

personificirte und in dem Ideal des Philosophen sich als ein Urbild vorstellte. In dieser Absicht ist Philosophie die Wissenschaft von der Beziehung aller Erkentniß auf die wesentliche Zwecke der menschlichen Vernunft (teleologia rationis humanae) und der Philosoph ist nicht ein Vernunftkünstler, sondern der Gesezgeber der menschlichen Vernunft. In solcher Bedeutung wäre es sehr ruhmredig, sich selbst einen Philosoph zu nennen und sich anzumassen, dem Urbilde, das nur in der Idee liegt, gleichgekommen zu seyn.

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 Der Mathematiker, der Naturkündiger, der Logiker sind, so vortreflich die erstere auch überhaupt im Vernunfterkentnisse, die zweite besonders im philosophischen Erkentnisse Fortgang haben mögen, doch nur Vernunftkünstler. Es giebt noch einen Lehrer im Ideal, der alle diese ansezt, sie als Werkzeuge nuzt, um die wesentliche Zwecke der menschlichen Vernunft zu befördern. Diesen allein müßten wir den Philosoph nennen; aber, da er selbst doch nirgend, die Idee aber seiner Gesezgebung allenthalben in ieder Menschenvernunft angetroffen wird, so wollen wir uns lediglich an der lezteren halten und näher bestimmen, was Philosophie, nach diesem Weltbegriffe[1], vor

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  1. Weltbegriff heißt hier derienige, der das betrift, was iederman nothwendig interessirt; mithin bestimme ich die Absicht einer Wissenschaft nach Schulbegriffen, wenn sie nur als eine von den Geschicklichkeiten, zu gewissen beliebigen Zwecken angesehen wird.
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 839. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_839.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)