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838 Methodenlehre III. Hauptst. 838

 Das System aller philosophischen Erkentniß ist nun Philosophie. Man muß sie obiectiv nehmen, wenn man darunter das Urbild der Beurtheilung aller Versuche zu philosophiren versteht, welche iede subiective Philosophie zu beurtheilen dienen soll, deren Gebäude oft so mannigfaltig und so veränderlich ist. Auf diese Weise ist Philosophie eine blosse Idee von einer möglichen Wissenschaft, die nirgend in concreto gegeben ist, welcher man sich aber auf mancherley Wegen zu nähern sucht, so lange, bis der einzige, sehr durch Sinnlichkeit verwachsene Fußsteig entdeckt wird, und das bisher verfehlte Nachbild, so weit als es Menschen vergönnet ist, dem Urbilde gleich zu machen gelinget. Bis dahin kan man keine Philosophie lernen; denn, wo ist sie, wer hat sie im Besitze und woran läßt sie sich erkennen? Man kan nur philosophiren lernen, d. i. das Talent der Vernunft in der Befolgung ihrer allgemeinen Principien an gewissen vorhandenen Versuchen üben, doch immer mit Vorbehalt des Rechts der Vernunft, iene selbst in ihren Quellen zu untersuchen und zu bestätigen, oder zu verwerfen.

 Bis dahin ist aber der Begriff von Philosophie nur ein Schulbegriff, nemlich von einem System der Erkentniß, die nur als Wissenschaft gesucht wird, ohne etwas mehr als die systematische Einheit dieses Wissens, mithin die logische Vollkommenheit der Erkentniß zum Zwecke zu haben. Es giebt aber noch einen Weltbegriff, (conceptus cosmicus) der dieser Benennung iederzeit zum Grunde gelegen hat, vornemlich, wenn man ihn gleichsam

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 838. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_838.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)