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710 Methodenlehre I. Hauptstück. 710

welches schon für sich selbst einen Antrieb zur Aeußerung hat, wird also die Disciplin einen negativen,[1] die Cultur aber und Doctrin einen positiven Beitrag leisten.

 Daß das Temperament, imgleichen daß Talente, die sich gern eine freie und uneingeschränkte Bewegung erlauben, (als Einbildungskraft und Witz), in mancher Absicht einer Disciplin bedürfen, wird iederman leicht zugeben. Daß aber die Vernunft, der es eigentlich obliegt, allen anderen Bestrebungen ihre Disciplin vorzuschreiben, selbst noch eine solche nöthig habe, das mag allerdings befremdlich scheinen, und in der That ist sie auch einer solchen Demüthigung eben darum bisher entgangen, weil, bey der Feierlichkeit und dem gründlichen Anstande, womit sie auftritt, niemand auf den Verdacht eines leichtsinnigen Spiels, mit Einbildungen statt Begriffen, und Worten statt Sachen, leichtlich gerathen konte.

 Es bedarf keiner Critik der Vernunft im empirischen Gebrauche, weil ihre Grundsätze am Probierstein der Erfahrung

fahrung

  1. Ich weiß wol: daß man in der Schulsprache den Nahmen der Disciplin mit dem der Unterweisung gleichgeltend zu brauchen pflegt. Allein, es giebt dagegen so viele andere Fälle, da der erstere Ausdruck, als Zucht, von dem zweiten, als Belehrung, sorgfältig unterschieden wird, und die Natur der Dinge erheischt es auch selbst, vor diesen Unterschied die einzige schickliche Ausdrücke aufzubewahren, daß ich wünsche, man möge niemals erlauben, ienes Wort in anderer als negativer Bedeutung zu brauchen.
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 710. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_710.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)