Seite:Kant Critik der reinen Vernunft 306.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
306 Elementarl. II. Th. II. Abth. Die transsc. Dial. 306

bringt. Aber ein solcher Grundsatz schreibt den Obiecten kein Gesetz vor und enthält nicht den Grund der Möglichkeit, sie als solche überhaupt zu erkennen und zu bestimmen, sondern ist blos ein subiectives Gesetz der Haushaltung mit dem Vorrathe unseres Verstandes, durch Vergleichung seiner Begriffe, den allgemeinen Gebrauch derselben auf die kleinstmögliche Zahl derselben zu bringen, ohne daß man deswegen von den Gegenständen selbst eine solche Einhelligkeit, die der Gemächlichkeit und Ausbreitung unseres Verstandes Vorschub thue, zu fordern, und iener Maxime zugleich obiective Gültigkeit zu geben, berechtiget wäre. Mit einem Worte, die Frage ist: ob Vernunft an sich, d. i. die reine Vernunft a priori synthetische Grundsätze und Regeln enthalte, und worin diese Principien bestehen mögen?

 Das formale und logische Verfahren derselben in Vernunftschlüssen giebt uns hierüber schon hinreichende Anleitung, auf welchem Grunde das transscendentale Principium derselben in der synthetischen Erkentniß durch reine Vernunft beruhen werde.

 Erstlich geht der Vernunftschluß nicht auf Anschauungen, um dieselbe unter Regeln zu bringen (wie der Verstand mit seinen Categorien), sondern auf Begriffe und Urtheile. Wenn also reine Vernunft auch auf Gegenstände geht, so hat sie doch darauf und deren Anschauung keine unmittelbare Beziehung, sondern nur auf den Verstand und dessen Urtheile, welche sich zunächst an die Sinne

und
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_306.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)