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293 Einleitung. 293
Der
Transscendentalen Logik
Zweite Abtheilung.
Die
Transscendentale Dyalectik.
Einleitung.
I.
Vom transscendentalen Schein.

Wir haben oben die Dialectik überhaupt eine Logik des Scheins genant. Das bedeutet nicht, sie sey eine Lehre der Wahrscheinlichkeit; denn diese ist Wahrheit, aber durch unzureichende Gründe erkant, deren Erkentniß also zwar mangelhaft, aber darum doch nicht trüglich ist, und mithin von dem analytischen Theile der Logik nicht getrent werden muß. Noch weniger dürfen Erscheinung und Schein vor einerley gehalten werden. Denn Wahrheit oder Schein sind nicht im Gegenstande, so fern er angeschaut wird, sondern im Urtheile über denselben, so fern er gedacht wird. Man kan also zwar richtig sagen: daß die Sinne nicht irren, aber nicht darum, weil sie iederzeit richtig urtheilen, sondern weil sie gar nicht urtheilen. Daher sind Wahrheit so wol als Irrthum, mithin auch der Schein, als die Verleitung zum lezteren, nur im Urtheile, d. i. nur in dem Verhältnisse des Gegenstandes zu unserm Verstande anzutreffen. In einem Erkentniß, das mit den Verstandesgesetzen durchgängig zusammenstimmt,

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_293.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)