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Voltaire: Kandide. Erster Theil

Könige der Sarmaten an den Ufern der Weichsel haben thun können; auch ich resignire mich der Vorsicht, und bin hieher gekommen, dem Karneval beizuwohnen.

Jezt war die Reihe zu reden, an dem sechsten Monarchen. Meine Herren sagte dieser, an Grösse gleich’ ich Ihnen nicht, dennoch aber bin ich, so gut wie ein andrer, König gewesen. Ich heisse Theodor, und ward zum Könige in Korsika erwählt. Sonst nannte man mich Ihro Majestät, und jezt mit genauer Not mein Herr. Sonst lies ich Münze schlagen, jezt hab’ ich keinen roten Heller; sonst hatt’ ich zwei Staatssekretäre, und jezt nicht einmal einen Bedienten. Ich sahe mich ehemals auf einem Throne, und zu London musst’ ich lang’ im Kerker auf einem Bunde Stroh liegen. Mir ist bange, daß mich hier das nämliche Schicksal trift, ob ich gleich wie Ihro Majestäten hierher gekommen bin, dem Karneval beizuwohnen.

Die fünf andern Könige hörten dieser Erzählung mit edlem Mitleide zu, und jeder gab dem Könige Theodor zwanzig Zechinen[1], um sich Kleider und Wäsche anzuschaffen, Kandide aber


  1. Zechine, eine Venedische goldne Münze, beträgt nach unserm Gelde ungefähr zwei Reichsthaler zehn Groschen.
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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_177.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)