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Voltaire: Kandide. Erster Theil

Kloster anzustekken, und hinzugehn, und ein Türk zu werden. In meinem funfzehnten Jahre musst’ ich nolens volens die verwünschte Jakke anziehn, damit mein ältrer Bruder – Gott und alle Heiligen verdammen ihn, den prassenden, putenjunkerschen Buben! – recht à son aise schwelgen kan. Ich wurd’ in ein Kloster gebant, das man gemeiniglich für einen Wohnsiz der religiösesten Ruhe hält; und das, beim Lichte besehn, weiter nichts ist, als der Tummelplaz der Eifersucht, der Zwietracht und des Ingrims.

’S ist wahr, ich habe mir manchmal mit einem jämmerlichen Schnikschnak ein’ge Bazen in die Tasche gepredigt. Aber was hat’s geholfen? Die Hälfte davon stiehlt mir der Prior weg und um’s Übrige bringen mich die Menscher. Wenn ich des Abends in’s Kloster komme, bin ich so fuchswild, daß ich gleich den Kopf gegen die Wand rennen möchte, und all’ meinen Brüdern in Paulo[1] geht’s nicht ein Haar besser.

Nun hab’ ich nicht die Wette ganz gewonnen? sagte Martin, indem er sich mit seiner gewönlichen

  1. Nicht dem Apostel, sondern dem Pabste Paulus dem Vierten, dem Stifter des Theatinerordens; ein Orden, der keine gewisse Einkünfte besizt, in grossem Ansehen steht, und von jeher viele gelehrte Männer zu Mitgliedern gehabt hat.
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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_158.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)