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Voltaire: Kandide. Erster Theil

Ach ja, mein Herr! ich bin’s, sagte Gertrud. Wie ich höre, so wissen Sie bereits alles! Nun ich weis auch, wie höchst kläglich es dem ganzen Hause der Frau Baronessin ergangen ist, und was die schöne Barones Gundchen für ein entsezliches Ende gehabt haben. Aber ich bin, weis Gott, die Zeit über auch nicht auf Rosen gegangen, hab’ auf Dornen und Disteln gesessen.

Als ich hin auf den Edelhof kam, war ich noch ganz unschuldig; darum fiel’s meinem Beichtvater, einem Franziskaner gar leicht, mich zu verführen. O! was für gräsliche Folgen entstanden daraus; ich musste das Schlos nicht lange nachher verlassen, als Sie der Herr Baron mit derben Tritten in den Hintern h’nausgeschubt hatte.

Hätte sich nicht ein berühmter Dokter meiner erbarmt, ich wäre sicher drauf gegangen. Aus Erkenntlichkeit ward ich ’ne Zeitlang seine Mätresse. Seine Frau, das rasend eifersüchtigste Thier von der Welt, ein zehnmal ärgrer Satan von Weibe wie Xantippe, bläute mich tagtäglich so unbarmherzig, wie’n neugebaknes Leutnantchen seines Hauptmanns Kompanie. Ein unglüklichers Mädchen gab’s wohl nicht, wie ich. Tagtäglich richtig meine derbe Tracht Prügel eines Mannes wegen, den ich nicht lieben konnte, und

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg.: , 1782, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_154.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)