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Voltaire: Kandide. Erster Theil

zu haben, und zwei Portugiesen, die den Spek aus einem Huhn geschnitten hatten, eh’ sie’s gegessen. Nach dem Essen ward Magister Panglos samt seinem Jünger Kandide in Ketten und Banden gelegt; jener wegen seiner Reden, dieser wegen der Mine des Beifalls, mit der er zugehört hatte. Man führte jeden in ein besonders Gemach, kühl wie ein Eiskeller, wo die Sonne einem nie auf die Scheitel stach. Nachdem acht Tage verflossen waren, legte man ein Sanbenito[1] um ihre Schultern, und schmükte ihre Häupter mit Carochas[2]. Kandiden’s Müz’ und Sanbenito war mit abwärtsgehenden Flammen bemalt, und mit Teufeln sonder Krallen und Zagel, aber Panglosen’s Teufel hatten Krallen und Zagel, und die Flammen stiegen aufwärts.

So bekleidet zogen sie in feierlichster Prozession


  1. Sanbenito eine Art grossen Skapuliers aus zwei langen Streifen von gelbem Zeuge gemacht, worauf vorn’ und hinten eine grosses, rothes Andreaskreuz steht. Sonst mussten es auch Personen, die von der Inquisition wieder entlassen wurden, zum Zeichen gefährlicher Lehren oder Sitten, tragen.
  2. Carochas, Müzen aus Papier oder Papdekkel gemacht, mit Feuerflammen, und Teufeln bemalt, welche vom heiligen Inqusitionsgericht den zum Tode Verurtheilten aufgesezt werden.
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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_031.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2021)