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Voltaire: Kandide. Erster Theil

Wasser aus einem benachbarten Springbrunnen.

Sie durchkrochen den Tag darauf die eingeschossnen Gebäude, fanden da einige Lebensmittel, erquikten und stärkten sich wieder ein wenig, und halfen darauf – wie andre auch thaten – den dem Tode entronnenen Einwohnern retten, was sich noch retten lies.

Einige Bürger, denen sie beigesprungen waren, tischten ihnen ein so gutes Mahl auf, als man in der Lage nur verlangen konnte. Es war ein Mahl der Traurigkeit, jeder Bissen mit Thränen benezt.

Panglos tröstete die Anwesenden, und gab ihnen die Versichrung, daß es gar nicht anders sein könnte, weil die Welt aufs Beste eingerichtet wäre. Denn, sagte er, wenn zu Lissabon ein unterirrdischer Brand ist, kann keiner zu Wien und Berlin sein, sintemal es unmöglich, daß ein Ding an mehr als an einem Orte zugleich sein kann, alldieweil alles was da ist, gut ist.

Neben ihm sas ein schwarzrökkiges Männlein, ein Familiar[1] der heiligen Inquisition, das


  1. WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Familiar ist bei den Ober- und Generalinquisitionsgerichten zu Lissabon und Madrid eine Person, die sich von diesen Gerichten theils als Kundschafter, theils als Volzieher ihrer Befehle gebrauchen lässt. In Spanien ist’s eine Bedienung, welche selbst Leute von Stande als eine vorzügliche Ehre betrachten, indem niemand dazu gelangt, der nicht beweisen kann, daß er ein alter Christ und von reinem Blute sei, d. i. weder von Mauren noch Juden abstamme. Dies ist nichts weiter als ein Ehrentitel.
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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_028.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)