Fragend spricht er diese Worte:
„Soll ich scheuchen voll von Kräften,
Mit der ganzen Kraft der Schultern,
Oder scheuchen wie es Noth thut?“
Sprach der weise Wäinämöinen
„Scheuchest du sowie es Noth thut,
Wirst du viel zu scheuchen haben.“
Fing darauf das kleine Männlein,
Fing das Heldlein an zu scheuchen,
Scheuchte, wie die Sache fordert,
Trieb der Fische große Schaaren,
Wo die Netze man erhoben,
Man gesenkt die hundert Flossen.
An dem Ruder saß der Schmieder,
Hebet selbst empor die Netze,
Ziehet kräftig selbst das Fanggarn,
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Schon gelangt der Fische Heerde,
Wo das Netz ich hingehoben,
Wo die Flossen ich gesenket.“
Ward das Netz darauf gehoben,
Ward gehoben und geschüttelt
Zu dem Boote Wäinämöinen’s;
Gegen den das Netz verfertigt,
Und geknüpfet war das Fanggarn.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Fährt mit seinem Boot zum Lande
Hin zu jener blauen Brücke,
An des rothen Steges Spitze;
Zog empor die Schaar der Fische,
Löste auf den grät’gen Haufen,
Holt heraus den Hecht, den grauen,
Sprach der alte Wäinämöinen
Selber darauf diese Worte:
„Darf’ ich mit der Hand ihn fassen,
Ohne Handschuh, die von Eisen,
Ohne Handschuh, die von Steinen,
Ohne Handschuh, die von Kupfer?“
Dieses hört der Sohn der Sonne,
Redet Worte solcher Weise:
„Gern möcht’ ich den Hecht zerspalten,
Hätt’ ich nur ein großes Messer,
Hätte ich ein starkes Eisen.“
Fiel ein Messer von dem Himmel,
Aus den Wolken fiel ein Eisen,
Goldenköpfig, silberschneidig,
Fiel zum Gurt des Sonnensohnes.
Griff der starke Sohn der Sonne
Mit der Hand gleich nach dem Messer,
Schneidet’ auf den Leib des Hechtes,
In dem Bauch des grauen Hechtes
Fand sich eine Lachsforelle,
In dem Bauch der Lachsforelle
Fand sich ein gar glatter Schnäpel.
Spaltet dann den glatten Schnäpel,
Nimmt heraus den blauen Knäuel
Aus des Schnäpels feinem Darme,
Aus des Darmes dritter Krümmung.
Wickelt ab den blauen Knäuel,
Fällt herab ein rother Knäuel,
Öffnet dann den rothen Knäuel,
In des rothen Knäuels Mitte
Findet er den Feuerfunken,
Der vom Himmel war gekommen,
Durch die Wolken war gesunken,
Von der Höhe von acht Himmeln,
Aus dem neunten Raum der Lüfte.
Wäinämöinen überlegte,
Nach den feuerlosen Stuben,
Nach den finstern Wohnungsstätten,
Rasch entschlüpfte da das Feuer
Aus der Hand des Sonnensohnes,
Sengt den Bart des alten Wäinö,
Schlimmer brennt es noch dem Schmieder
Beide Wangen sehr zu Schanden
Und versengt ihm auch die Hände.
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_281.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)