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Achtundvierzigste Rune.


     Wäinämöinen alt und wahrhaft,
Dieser ew’ge Zaubersprecher,
Kam darauf es zu bedenken,
Fing so an zu überlegen,
Wie das Leinennetz zu stricken,
Wie das hundertfache Fanggarn.
     Redet darauf diese Worte,
Läßt sich selber also hören:
„Giebt es wer den Lein wohl säen,

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Wer ihn säen, pflügen könnte,

Daß das Netz ich fertig mache,
Daß das Garn mit hundert Augen,
Um den bösen Fisch zu tödten,
Um den schlechten zu verderben.“
     Ward ein wenig Land gefunden,
Eine Stelle, die nie brannte,
Auf des Sumpfes großem Rücken
In der Mitte zweier Stämme.
     Ausgegraben ward die Wurzel,

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Flachsessamen dort gefunden

Bei dem Wurme von Tuoni,
Im Verwahr des Erdenwurmes.
     War ein Häufchen dort von Asche,
Eine Masse trockner Asche
Von dem Boote, das einst brannte,
Von dem ganz verzehrten Fahrzeug;
Dorthin ward der Flachs gesäet,
In die Asche eingesenket,
An dem Strand des Sees Alue

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In das Feld mit Lehmesrändern.

     Dorten schoß empor die Pflanze,
Reichlich dort der Flachs ohn’ Ende,
Dort der Lein ohn’ alle Glieder
In der Nacht von einem Sommer.
     Ward gesäet zu der Nachtzeit,
Bei dem Mondschein eingestecket,
Da gereinigt und gesichtet,
Dann gerupfet und gerissen,
Gar behende er geraffet

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Und mit aller Kraft gehechelt.

     Ward geführet hin zur Röste,
Daß er schnell geröstet werde;
Eilends dann erhoben würde,
Um geschwinde drauf zu trocknen.
     Ward gebracht darauf zum Hause,
Daß er dort geglättet würde,
Daß er munter dort gebrochen
Und geschwind geschwungen würde.
     Ward gar fleißig dann gebürstet,

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Ward gekämmt am frühen Morgen,

Ward in Knocken schnell geleget,
Schnell auf Spindeln aufgewickelt,
Während einer Nacht des Sommers
Mitten zwischen zweien Tagen.
     Darauf winden ihn die Schwestern,
Auf die Nadel ihn die Schwäg’rin,
Machen dann ein Netz die Brüder,
Netzesstrick’ die Schwiegerväter.
     Fleißig wendet sich die Nadel,

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Sich der Maschenstock gar fleißig,

Bis das Netz zu End’ bereitet,
Bis das Leinengarn verbunden
Während einer Nacht des Sommers
Und noch während ihrer Hälfte.
     Fertig war das Netz am Ende,
War das Leinengarn verbunden,
Hundert Klafter war die Länge,
An den Rändern siebenhundert,
Steine wurden dann befestigt,

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Gute Bretter angefüget.

     Gingen zu dem Netz die Jungen,
Dachten in dem Haus die Alten:
Ob man jetzt wohl fangen würde,
Ob nach Wunsch den Fisch erlangen.
     Ziehen dann und kehren vorwärts,
Haschen fleißig, senken fleißig,
Ziehen durch des Wassers Länge,
Stoßen durch des Wassers Breite,
Fangen lauter kleine Fische,

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Kaulbarsche, die Unglücksfische,
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_279.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)