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Daß er Böses nicht verüben,
Schlechte That vollbringen wolle.“
     „Mielikki, des Waldes Wirthin,

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Sie, die Kluge Tapiola’s,

Ging nun Zähne ihm zu suchen,
Ging um Krallen abzufordern
Von der festen Eberesche,
Vom Wachholderbaum voll Härte,
Von den allerstärksten Wurzeln,
Von dem harz’gen, harten Baumstamm,
Konnte Krallen dort nicht finden,
Keine Zähne dorther holen.“
     „Wuchs auf einer Flur die Tanne,

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Auf der Höhe eine Fichte,

Silberzweige hat die Tanne,
Goldne Zweige hat die Fichte;
Diese nahm darauf die Jungfrau,
Macht aus ihnen ihm die Krallen,
Setzte daraus in das Kinnbein,
In das Zahnfleisch ihm die Zähne.“
     „“Ließ den Liebling darauf gehen,
Sendet aus den zarten Burschen,
Läßt die Sümpfe ihn durcheilen,

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Ihn durch schöne Haine laufen,

An der Waldung Rändern schreiten,
Auf den weiten Fluren springen;
Hieß ihn ordentlich nun gehen,
Voller Anstand sich bewegen,
Voller Freude stets zu leben,
Hinzugehn die schönen Tage
Auf den Sümpfen, auf den Feldern,
An dem Saum belebter Fluren,
Unbeschuhet in dem Sommer,

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Ohne Strümpfe in dem Herbste,

In der schlechten Zeit zu ruhen,
In dem Winter sich zu bergen,
In der Faulbaumstube Innerm,
An dem Rand’ der Nadelholzburg,
An dem Fuß der schönen Fichte,
In dem Schooße des Wachholders
Unter fünf der Wollendecken,
Unter acht der besten Mäntel;
Dorther holt’ ich meine Beute,

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Hab’ ich meinen Fang gefunden.“

     Sprachen so die jungen Leute,
Also redeten die Alten:
„Weshalb ward der Wald so gütig,
Wald und Hain so voller Gnade,
Ward des Haines Wirth so freudig,
Ward geneigt der theure Tapio,
Daß er seinen Liebling hergab,
Seinen Honigschmecker sandte;
Ist er mit dem Speer erspüret,

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Mit dem Pfeile aufgescheuchet?“

     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet selber diese Worte:
„Voll von Güte war der Wald mir,
Wald und Hain so voller Gnade,
Freude hatt’ der Wirth des Waldes,
Günstig war der theure Tapio.“
     „Mielikki, des Waldes Wirthin,
Tellerwo, die Tochter Tapio’s,
Diese schöne Waldesjungfrau,

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Sie, des Waldes kleines Mädchen,

Ging den Weg mir anzuzeigen,
Ging die Pfade zu bereiten,
Setzte Zeichen längs des Randes,
Um die Richtung zu bezeichnen;
Schnitzte Kerben in die Bäume,
Machte Zeichen an den Bergen,
Zu des edlen Bären Thüren
An dem Rand des Geldeseilands.“
     „Als ich dorthin war gekommen,

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Zu der Gränze hingelanget,

Hab’ ich nicht den Speer entsendet,
Nicht den Bogen abgeschossen;
Selber glitt er von der Wölbung,
Stürzt er von des Zweiges Rücken;
Reiser rissen ihm die Brust auf,
Zweige spalteten den Bauch ihm.“
     Redet darauf diese Worte,
Selber spricht er solcher Weise:
„Otso, du mein Vielgeliebter,

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Du mein Vöglein, du mein Zarter!
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_271.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)