Läßt nur nach des Ofens Steine,
Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,
Wendet sich darauf zur Heimath,
Zu des todten Vaters Stube,
Zu den Fluren seines Alten,
Leer muß er die Stube finden,
Öde, als er aufgeschlossen,
Keiner kommt ihn zu umarmen,
Niemand um die Hand zu geben.
Reicht die Hand dem Kohlenhaufen,
Da erkennt er bei dem Kommen,
Daß die Mutter nicht am Leben.
Legt die Hand dann an den Ofen,
Kalt sind selbst des Ofens Steine;
Da erkennt er bei dem Kommen,
Daß der Vater nicht am Leben.
Wirft die Augen auf den Boden,
Ungeordnet ist der Boden,
Da erkennt er bei dem Kommen,
Gehet zu dem Stapelplatze,
Nicht sind Böte auf den Rollen;
Da erkennt er bei dem Kommen,
Daß sein Bruder nicht am Leben.
Fing da bitter an zu weinen,
Weinte einen Tag, den zweiten,
Selber spricht er diese Worte:
„O du Mutter voller Güte,
Was hast du zurückgelassen,
„Doch du hörst mich nicht, o Mutter,
Sprech’ ich gleich mit meinen Augen,
Mit den Augenbrauen jammernd,
Mit dem Scheitel sogar klagend!“
Aus dem Grab erwacht die Mutter,
Aus der Erde giebt sie Antwort:
„Ist der schwarze Hund geblieben,
Daß zum Wald du gehen mögest;
Nimm den Hund an deine Seite,
Jenseits von des Waldes Dickicht,
In die Näh’ der Waldestöchter,
Zu dem Hof der blauen Mädchen,
Zu dem Saume von der Waldburg
Deine Nahrung dir zu suchen,
Eine Gabe zu erbitten!“
Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,
Nahm den Hund an seine Seite,
Wanderte den Weg nun vorwärts,
War ein wenig nur gegangen,
Eine kleine Streck’ geschritten.
Kommet da zu jenem Hügel,
Stößt auf jene schlimme Stelle,
Wo das Mädchen er geschändet,
Seiner Mutter Kind geschwächet.
Dorten weint der schöne Rasen,
Klagt voll Mitleid selbst der Laubhain,
Voller Schmerz die jungen Gräser,
Daß das Mädchen dort geschändet,
Dort der Mutter Kind geschwächet,
War kein neues Gras gewachsen,
Auch nicht Blumen auf der Heide,
Nicht auf jenem Platz erwachsen,
Auf der Stelle voller Frevel,
Wo das Mädchen er geschändet,
Er der Mutter Kind geschwächet.
Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,
Wendet es nach allen Seiten,
Frägt und forschet von dem Schwerte,
Forschet nach dem Sinn des Schwertes,
Ob das Schwert wohl Lust empfindet,
Von dem schuld’gen Fleisch zu zehren,
Von dem bösen Blut zu trinken.
Wohl erräth das Schwert die Absicht,
Ahnet wohl den Sinn des Mannes,
Antwortet auf diese Weise:
Ich das schuld’ge Fleisch nicht zehren,
Von dem bösen Blut nicht trinken,
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_220.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)