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     Rasselnd fuhr einher der Schlitten
Und durchmißt auf seiner Reise
Wäinämöinens weite Fluren,
Längstbebaute Ackerfelder.
     Kam ein Mädchen ihm entgegen,
Eilet goldgelockt auf Schneeschuh’n
Auf den Hügeln Wäinämöinen’s,
Auf den längstbebauten Äckern.
     Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,

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Hielt nun an mit seinem Schlitten,

Fing zum Mädchen an zu sprechen,
Spricht zu ihr und lockt sie kosend:
„Steige, Mädchen, in den Schlitten,
Ruhe hier auf meinen Fellen!“
     Bei dem Laufen sprach das Mädchen,
Bei dem Gleiten diese Worte:
„Steig’ der Tod in deinen Schlitten,
Krankheit hin auf deine Felle!“
     Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,

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Er, der Knab’ mit blauen Strümpfen,

Schlug das Roß mit seiner Gerte,
Mit der perlenreichen Peitsche,
Rasch enteilt das Roß des Weges,
Auf dem Wege rauscht der Schlitten,
Fuhr dahin mit lautem Lärmen,
Eilt dahin auf seiner Reise
Auf dem klaren Meeresrücken,
Auf den weiten Eisgefilden.
     Kommt ein Mädchen ihm entgegen,

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Schönbeschuht, den Schnee durchwatend,

Auf dem klaren Meeresrücken,
Auf den weiten Eisgefilden.
     Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,
Ließ sein muntres Roß da halten,
Legt den Mund in schöne Ordnung,
Setzt gar zierlich seine Worte:
„Steige, Schönste, in den Schlitten,
Zier des Landes, in mein Fuhrwerk!“
     Antwort gab ihm da das Mädchen,

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Scheltend so die Schönbeschuhte:

„Tuoni steig’ in deinen Schlitten,
Manalainen fahre mit dir!“
     Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,
Er, der Knab’ mit blauen Strümpfen,
Schlug das Roß mit seiner Gerte,
Mit der perlenreichen Peitsche,
Rasch enteilt das Roß des Weges,
Auf dem Wege rauscht der Schlitten,
Tobend fährt er seines Weges

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Und durchmißt auf seiner Reise

Nordlands weitgedehnte Heiden,
Lapplands weitgestreckte Gränzen.
     Kommt ein Mädchen ihm entgegen,
Eine Zinnesspang’ am Busen,
Auf den Heiden von Pohjola,
Auf der Lappen weiten Gränzen.
     Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,
Hielt die Zügel seines Rosses,
Legt den Mund in schöne Ordnung,

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Setzt gar zierlich seine Worte:

„Komm, o Maid, in meinen Schlitten,
Unter meine Filzdeck’, Schönste,
Meine Äpfel sollst du essen,
Meine Nüsse du zerbeißen!“
     Antwort giebt ihm so das Mädchen,
Mit der Zinnesspang’ am Busen:
„Speie dir auf deinen Schlitten,
Auf dein Fuhrwerk, Unglücksel’ger;
Kalt ist’s unter deiner Decke,

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Schauerlich in deinem Schlitten.“

     Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,
Er, der Knab’ mit blauen Strümpfen,
Reißt das Mädchen in den Schlitten,
Rafft sie hin zu seinem Sitze,
Setzt sie auf das Fell des Schlittens,
Zieht sie unter seine Decke.
     Sprach das Mädchen diese Worte,
Zornig so die Zinngeschmückte:
„Laß mich los von diesem Sitze,

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Laß das Kind aus deinen Händen,

Daß ich nicht die schlechten Worte,
Nicht des Bösen Bitten höre,
Oder ich durchstoß’ den Schlitten,
Spreng’ des Schlittens lange Leisten,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_213.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)