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Daß wir gar vergnüglich leben,
Wunderschön im ganzen Sommer,
Beider ist das Land gemeinsam,

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Doch die Wegkost ist verschieden.“

     „Hast du aber Lust zu kämpfen,
Willst nach Krieges Art du leben,
Wollen wir im Winter kämpfen,
Zu der Schneezeit wir uns schlagen!
Kommt der Sommer, thau’n die Sümpfe,
Werden wärmer schon die Quellen,
Sollst du nicht mehr hieher nahen,
Wo die goldne Heerde hörbar!“
     „Kommest du zu diesem Lande,

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Nahest du dich diesen Hainen,

Werden wir hieselbst stets schießen;
Sind die Schützen nicht zu Hause,
Haben wir gar kund’ge Weiber,
Stets im Hause auch die Wirthin,
Daß sie dir den Weg verderbe,
Deinen Pfad in Unglück bringe,
Daß du keinen Schaden übest,
Keineswegs Verderben bringest,
Gegen Gottes höchsten Willen

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Und des Machtbegabten Rathschluß.“

     „Ukko, du, o Gott im Himmel!
Hörst du, daß es wirklich Ernst wird,
Dann verwandle meine Kühe
Und bezaubre meine Heerde,
Meine Lieben mach’ zu Steinen,
Meine Theuren du zu Stämmen,
Wandert durch das Land der Unhold,
Wandert dort einher der Klumpen.“
     „Wäre ich ein Bär geworden,

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Lebte ich als Honigtatze,

Würd’ ich nimmer also schreiten
Vor den Füßen alter Weiber;
Anderswo auch giebt es Strecken,
Weiter auch noch giebt es Hürden
Für den Müß’gen zu durchwandern,
Für den Faulen zu durcheilen,
Gehe wund du deine Tatzen,
Daß der Waden Fleisch verschwinde,
In des blauen Haines Innres,

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In den Schooß der schönen Waldung.“

     „Kannst durch Zapfenfluren wandern,
Kannst durch Sand gar lustig rauschen,
Ist ein Weg für dich gebahnet
An dem Meeresstrand zu gehen
Zu des Nordlands weiten Gränzen,
Nach des Lappenlandes Strecken;
Dort ist’s wonnig dir zu leben,
Angenehm dir dort zu weilen,
Sommers ohne Schuh’ zu wandern,

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Ohne Socken in dem Herbste,

Auf dem weiten Sumpfes-Rücken,
Auf den breiten Morastgründen.“
     „Solltest du nicht dorthin gehen,
Nicht so recht den Weg du finden,
Eile schleunigst eine Strecke,
Schreite hastig auf dem Pfade
Zu dem Haine von Tuonela
Oder zu den Fluren Kalma’s!
Sümpfe giebt es dort zu treten,

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Heiden dorten zum Lustwandeln,

Dorten Kirjos, dorten Karjos,
Dorten viele andre Rinder
Mit den eisenfesten Fesseln,
Mit wohl zehn der besten Bänder,
Fett erhalten dort die Magern,
Fleischig werden dort die Knochen.“
     „Seid geneigt, o Hain und Waldung,
Voller Huld, du dunkler Dickicht,
Gebe Ruhe du den Rindern,

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Frieden der behuften Heerde

In dem Lauf des großen Sommers,
In des Schöpfers heißer Jahrzeit!“
     „Kuippana, des Waldes König,
Du, des Waldes holder Graubart,
Sorge du für deine Hunde,
Schütze du die muth’gen Kläffer!
Steck’ ein Schwämmchen in ein Nasloch,
Eine Eichel in das andre,
Daß ihr Athem nimmer stinke,

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Sie nicht nach der Heerde schnuppern!
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_203.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)