Seite:Kalewala, das National-Epos der Finnen - 174.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Besser auf dem freien Platze,
Auf dem Schnee bei weitem hübscher!“
     Nach dem Hofe gehn sie beide,
Finden dorten eine Kuhhaut,
Breiten auf den Hof dieselbe,
Stellen auf die Haut sich beide.
     Sprach der Inselländer Ahti:

340
„Höre nun, o Sohn des Nordens!

Länger ist wohl deine Klinge,
Hast ein Schwert voll größern Grausens,
Möchtest es wohl nöthig haben,
Früher eh’ die Trennung nahet,
Eh’ dein Hals in Stücke gehet;
Schlage los, o Sohn des Nordens!“
     Los schlug nun der Sohn des Nordens,
Einmal schlug er, schlug das zweite,
Schlug dann noch zum dritten Male,

350
Kann jedoch nicht recht ihn treffen,

Nicht einmal das Fleisch ihm ritzen,
Nicht ein Stückchen Haut ihm nehmen.
     Sprach der Inselländer Ahti,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Laß ein wenig mich versuchen,
Längst schon ist an mir die Reihe!“
     Doch der Hauswirth von Pohjola
Achtet nicht auf diese Worte,
Schlägt beständig, ohn’ zu ruhen,

360
Zielet immer, ohn’ zu treffen.

     Feuer sprühet aus dem Eisen,
Flammen aus der scharfen Klinge
In den Händen Lemminkäinen’s,
Weiter strahlt der Glanz der Funken,
Er ergießt sich hin zum Halse
Von dem Sohn des Pohjaländers.
     Sprach der schöne Kaukomieli:
„O du Hauswirth von Pohjola!
Also strahlt dein Hals, o Armer,

370
Wie der Morgen von der Röthe.“

     Darauf wandt’ der Sohn des Nordens,
Selbst der Hauswirth von Pohjola
Seine Augen um zu schauen
Auf des eignen Halses Röthe;
Da gerad haut Lemminkäinen
Mit der Klinge gar geschwinde,
Schlägt den Mann mit seinem Schwerte,
Trifft ihn mit der Eisenwaffe.
     Schlug einmal mit kräft’gem Hiebe,

380
Schlug den Kopf ihm von den Schultern,

Von dem Halse ihm den Schädel,
Wie vom Stengel eine Rübe,
Wie vom Halme eine Ähre,
Wie vom Fische eine Flosse;
Daß der Kopf zu Boden stürzet,
Auf den Hof des Mannes Schädel
Wie vom Pfeil erreichet sinket
Won dem Baum die Auerhenne.
     Waren hundert Pfosten dorten,

390
Tausend Pfeiler auf dem Hofe,

Hundert Köpfe auf dem Pfosten,
Ohne Kopf der Pfeiler einer,
Nahm der muntre Lemminkäinen
Nun den Kopf der armen Wirthen,
Bracht’ den Schädel von dem Hofe
Auf die Spitze jenes Pfeilers.
     Kehrt der Inselländer Ahti,
Er, der schöne Kaukomieli,
Drauf zurück in jene Stube,

400
Redet Worte solcher Weise:

„Bringe Wasser, schlechtes Mädchen,
Daß ich meine Hände wasche
Von dem Blut des schlechten Wirthen,
Aus des bösen Mannes Wunde!“
     Nordlands Alte ward gar böse,
Ward gar böse und verdrießlich,
Zaubert Männer sammt den Schwertern,
Helden, die gar wohl gerüstet,
Hundert Männer mit den Schwertern,

410
Tausend, die da Waffen tragen,

Zum Verderben Lemminkäinen’s,
Auf den Hals von Kaukomieli,
     Wahrlich kamen nun die Zeiten
Und erschien der Tag der Trennung;
Endlich wurd’ es zu beschwerlich,
Wurd’ es gar zu unbehaglich
Ihm, dem Ahti, dort zu bleiben,
Lemminkäinen dort zu weilen,
Auf dem Schmause von Pohjola,

420
Beim Gelag des dumpfen Haufens.
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_174.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)