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     Doch der lange Sohn des Nordens

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Zauberte nun eine Henne,

Daß sie auf dem Boden flattre
Vor dem Mund des rothen Fuchses.
     Lemminkäinen voller Frohsinn
Zauberte nun einen Habicht,
Mit der Zung’ den leichtgekrallten,
Daß die Henne er zerreiße.
     Sprach der Hauswirth von Pohjola,
Redet selber diese Worte:
„Besser wird der Schmaus nicht werden,

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Nimmt nicht ab die Zahl der Gäste;

Hab’ zu schaffen, gehe, Fremder,
Fort vom guten Trinkgelage!
Gehe fort, des Hiisi Auswurf,
Gehe fort von allen Leuten,
In dein Haus du schlechtes Wesen,
Eile, Böser, in die Heimath!“
     Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Also läßt kein Mann sich treiben,

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Nicht ein Mann, wär’ er auch schlechter,

Von dem Platze sich verscheuchen,
Von der Stelle sich verjagen.“
     Darauf riß der Wirth Pohjola’s
Seine Klinge von den Wänden,
Griff nach ihr, der feuerschneid’gen,
Redet Worte solcher Weise:
„O du Ahti, Inselländer,
Du, der schöne Kaukomieli,
Laß uns unsre Schwerter messen,

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Unsre Klingen nun beschauen,

Ob mein Schwert wohl besser sein mag,
Ob deins, Inselländer Ahti!“
     Sprach der muntre Lemminkäinen:
„Was wohl tauget meine Klinge,
Ist an Knochen fast zerbrochen,
Ist an Schädeln ganz verschrammet!
Aber sei dem wie ihm wolle,
Wenn das Gastgebot nicht besser,
Laß uns messen, laß uns schauen,

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Wessen Schwert das bess’re sein mag!

Hat mein Vater doch vor Zeiten
Ohne Scheu das Schwert gemessen,
Sollt’ im Sohn der Stamm sich ändern,
In dem Kinde schlechter werden?“
     Nahm das Schwert, ergriff das Eisen,
Zog die Klinge voller Feuer
Aus der filzbedeckten Scheide,
Aus dem ganz gewundnen Gürtel;
Messen dann und schauen beide

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Ihrer beiden Schwerter Länge,

Länger war ein kleines Stückchen
Wohl das Schwert des Nordlandswirthen
Wie der Schmutzrand an dem Nagel,
Wie ein Halbgelenk des Fingers.
     Sprach der Inselländer Ahti,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Länger ist dein Schwert befunden,
Dir gehört der Hiebe erster.“
     Darauf haut der Wirth Pohjola’s

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Hitzig los mit heft’gen Schlägen,

Um zu treffen, kann nicht treffen,
Haut auf Lemminkäinen’s Scheitel,
Streifet an des Daches Sparren,
Trifft der Balken hohle Riefen,
Schlägt die Sparren so in Stücke,
Spaltete der Balken Riefen.
     Sprach der Inselländer Ahti,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Was verbrach der arme Sparren,

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Welchen Frevel übt’ die Riefe,

Daß du auf die Sparren hauest,
Daß die Riefen du zutrümmerst?“
     „Höre du, o Sohn des Nordens,
Du der Hauswirth von Pohjola!
Schwer ist’s in der Stub’ zu kämpfen,
Bei den Weibern gar beschwerlich,
Nur besudelt wird die Stube,
Blutbefleckt der ganze Boden!
Gehn wir lieber hin nach außen,

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Auf dem Felde dort zu kämpfen,

Auf den Fluren uns zu schlagen,
Schöner ist das Blut im Hofe,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_173.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)