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Grade eilt sein Roß von dannen,
Rennt mit Lärm sein Füllen weiter.
     Fuhr ein wenig auf dem Wege,
Schritt ein kleines Stückchen vorwärts,
Voll Entsetzen ist sein Rößlein,
Fängt da wieder an zu wiehern.
     Hebet sich von seinem Sitze,
Macht sich auf um zuzuschauen,
Sieht, wie’s seine Mutter sagte,

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Wie die Alte ihm bekräftigt:

Vor ihm steht ein Schlund voll Feuer,
Lieget quer ihm auf dem Wege,
Breitet weit sich aus nach Osten,
Ist nach Westen ohne Ende,
Angefüllt mit heißen Steinen,
Voll von Blöcken, die da glühen.
     Wenig achtet’s Lemminkäinen,
Bittend wandt’ er sich an Ukko:
„Ukko, du, o Gott dort oben,

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Lieber Vater in dem Himmel!

Send’ aus Nordwest eine Wolke,
Eine zweite du aus Westen,
Eine dritte aus dem Osten,
Laß sie steigen aus dem Nordost,
Stoß die Ränder an einander,
Laß den Zwischenraum sich füllen,
Sende klafterhohen Schneefall,
Laß ihn von des Speerschafts Höhe
Auf den heißen Steinen sieden,

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Auf den feuerreichen Blöcken!“

     Ukko, er, der Gott dort oben,
Er, der Vater in dem Himmel,
Ließ aus Nordwest eine Wolke,
Eine zweite dann aus Westen,
Eine dritte aus dem Osten
Ließ sie steigen aus dem Nordost,
Stößt die Wolken an einander,
Läßt die Zwischenräume schwinden;
Sendet Schnee von Stabes Höhe,

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Läßt ihn von der Höh’ des Speerschafts

Auf den heißen Steinen sieden,
Auf den feuerreichen Blöcken,
Aus dem Schnee entsteht ein Weiher,
Dort ein See mit starken Wogen.
     Darauf zaubert Lemminkäinen
Dorthin eine Eisesbrücke
Über diesen schnee’gen Weiher
Von dem einen Rand zum andern,
Kommet so aus dieser Drangsal,

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Macht sich frei am zweiten Tage.

     Schlug das Roß mit seiner Peitsche,
Rauschte mit der perlenreichen,
Hastig blitzt sein Roß von dannen,
Eilet weiter auf dem Wege.
     Lief nun eine Meil’, die zweite,
Eilet noch ein kleines Stückchen,
Bleibt dann plötzlich dorten stehen,
Rührt sich nicht von seiner Stelle.
     Selbst der muntre Lemminkäinen

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Sprang hervor um zuzuschauen;

Steht ein Wolf dort an der Pforte,
In dem Gang ein Bär gerade,
An der Pforte von Pohjola,
An der langen Gänge Ende.
     Darauf greifet Lemminkäinen,
Selbst der schöne Kaukomieli
Gar behende in die Tasche,
Suchet rasch in seinem Beutel,
Holt des Mutterschafes Wolle,

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Reibt dieselbe rasch zu Flocken

In der Mitte seiner Hände,
Zwischen seinen starken Fingern.
     Bläst dann einmal auf die Hände,
Schafe läßt er rasch enteilen,
Eine ganze Lämmerheerde,
Eine Heerde lust’ger Böcklein;
Auf dieselben macht der Wolf sich,
Stürzt der Bär sich ihm zur Seite,
Selbst der muntre Lemminkäinen

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Jaget weiter auf dem Wege.

     Wandert noch ein Stücklein Weges
Kam zum Hofe von Pohjola;
Ganz aus Eisen war der Umkreis,
Und aus Stahl der Zaun bereitet,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_166.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)