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Zu den feuerlosen Zeiten,
Als das Feuer man nicht kannte.“
     „Unser Werber ist bekleidet
An dem Fuß mit seidnen Strümpfen,
An den Strümpfen seidne Bänder,

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Schöngestreifte Binderiemen,

Die mit Gold gar hübsch gewirket
Und mit Silber reich besetzet.“
     „Unser Werber ist bekleidet
Mit gar guten deutschen Schuhen,
Wie die Schwäne in den Flüssen,
Wie das Wasserhuhn am Ufer,
Wie die Gänse auf den Zweigen,
Wandervögel im Gestrüppe.“
     „Unser Werber ist geschmücket

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Mit den goldgelockten Haaren,

Schöngeflochten ist sein Goldbart,
Auf dem Kopfe sitzt die Mütze,
Ragt empor bis an die Wolken,
Dringet durch des Waldes Wipfel,
Nicht erhält man sie für hundert,
Nicht für tausend Mark die Mütze.“
     „Habe nun gelobt den Werber,
Muß der Braut Gespielin loben!
Woher kam der Braut Gespielin,

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Woher nahm man die Beglückte?“

     „Daher kam der Braut Gespielin,
Ward geholet die Beglückte,
Jenseits von dem Schloß Tanika’s
Von der Gegend hinter Neuschloß.“
     „Ist von dort nicht hergekommen,
Nicht im mindesten von dorten;
Daher ist der Braut Gespielin,
Ist geholet die Beglückte
Vom Gewässer ob der Dwina,

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Von den weitgedehnten Buchten.“

     Nicht ist sie von dort gekommen,
Nicht im mindesten von dorten,;
Wuchs ein Erdbeerlein im Lande,
Auf der Flur die Preiselbeere,
Auf dem Feld das hübsche Kräutchen,
In dem Hain die goldne Blume,
Daher ist der Braut Gespielin,
Daher nahm man die Beglückte.“
     „Niedlich ist der Mund der Freundin,

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Wie das Weberschiff in Suomi,

Ihre Augen schimmern freundlich,
Wie die Sterne an dem Himmel,
Ihre Schläfen strahlen weithin,
Wie das Mondlicht auf dem Meere.“
     „Zierath hat der Braut Gespielin
An dem Halse goldne Ketten,
Auf dem Kopfe goldne Schnüre,
An den Händen goldne Bänder,
An den Fingern goldne Ringe,

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An den Ohren goldne Perlen,

An den Schläfen goldne Schlingen,
Voll von Perlen ihre Brauen.“
     „Glaubte, daß der Mond schon schiene,
Als die goldne Spange blitzte,
Glaubte, daß die Sonne leuchte,
Als des Hemdes Kragen glänzte,
Glaubte, daß ein Schiff gesegelt,
Als des Kopfes Tuch geflattert.“
     „Lobte so der Braut Gespielin,

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Will die ganze Schaar nun preisen,

Ist die Schaar bei bester Schönheit,
Sind die Alten gar bedächtig,
Sind die Jungen gar lebendig,
Stattlich wohl der ganze Haufen!“
     „Hab’ die ganze Schaar betrachtet,
Wenn ich sie gleich früher kannte;
Früher ist nie hier gewesen,
Wird sobald auch nicht erscheinen
Eine Schaar von solchem Aussehn,

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Nie ein Haufe solcher Schönheit,

Alte Leute so bedächtig,
Junge Leute so lebendig;
Weißgekleidet ist der Haufen,
Wie die Waldung bei dem Reife,
Unten gleich der Morgenröthe,
Oben gleich des Tages Dämmrung.“
     „Leicht zu schaffen war das Silber,
Reichlich Gold auch bei den Gästen,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_158.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)