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Hat der Thürgriff oft geknarret
Nach der Schließerin mit Ringen,
Hat die Schwelle sich geneiget
Vor der Zarten feinem Saume,
Hat die Thür’ sich stets geöffnet,

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Auf die Öffnerin gewartet.“

     „Schon in diesem letzten Winter,
Schon im Sommer, der vergangen,
Hat die Stube sich gewendet
Nach der Rein’gerin der Stube,
Hat die Vorstub’ sich geneiget
Zu der Kehrerin der Vorstub’,
Hat die Scheune sich gekehret
Zu der Fegerin der Scheune.“
     „Schon in diesem letzten Winter,

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Schon im Sommer, der vergangen,

Hat der Hof sich schräg gekehret
Zu der Sammlerin der Späne,
Sich das Vorrathshaus gesenket
Für die Vorrathshausbesuch’rin,
Und die Sparren sich gekrümmet
Für der jungen Frau Gewänder.“
     „Schon in diesem letzten Winter,
Schon im Sommer, der vergangen,
Hat die Gasse schon gejammert

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Nach der Wandrerin der Gasse,

Hat die Hürde sich genähert
Zu der Pflegerin der Hürde,
Und der Viehhof ist gewichen
Vor des Viehhofs schöner Ente.“
     „Schon an diesem heut’gen Tage,
Schon am letzverfloss’nen Tage
Hat gar früh die Kuh gebrüllet
Nach des Morgenbündels Geb’rin,
Hat das Füllen früh gewiehert

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Nach der Spenderin des Heues,

Hat das Frühlingslamm geblöket
Nach der Mehrerin der Bissen.“
     „Schon an diesem heut’gen Tage,
Schon am letzverfloss’nen Tage
Saßen Alte an den Fenstern,
Liefen Kinder an dem Strande,
Standen Weiber an den Wänden,
Knaben an der Thür’ der Vorstub’,
Um der jungen Frau zu harren,

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Um das Bräutlein zu erwarten.“

     „Heil dir, Hof, mit deinem Inhalt,
Mit den Helden, die von Hause,
Heil dir, Scheune, mit dem Inhalt,
Heil dir, Scheune, sammt den Gästen,
Heil dir, Vorhaus, mit dem Inhalt,
Birkendach sammt deinem Volke,
Heil dir, Stube, sammt dem Inhalt,
Bretterreiche sammt den Kindern,
Heil dir, Mond, Heil dir, o König,

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Heil dir junges Brautgefolge!

Nicht ist früher hier gewesen,
Weder früher noch auch gestern
Solch ein stattlich Brautgefolge,
Eine Schaar von solcher Schönheit.“
     „Bräutigam, du lieber Bruder,
Streife ab die rothen Binden
Und entfern’ die seidnen Tücher;
Zeig’ dein Marderchen, das liebe,
Das du fünf der Jahr’ gefreiet,

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Acht der Jahre angeschauet!“

     „Brachtest du dir die Gewollte,
Wolltest einen schönen Kuckuck,
Eine Weiße von dem Lande,
Eine Frische aus dem Wasser?“
     „Doch ich seh’ es, ohn’ zu fragen,
Merk’ es, ohne viel zu forschen,
Hast gebracht den schönen Kuckuck,
Hast die blaue Ent’ geborgen,
Hast das grünste aller Reiser

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Aus dem schönbelaubten Busche,

Hast den frischsten aller Zweige
Von dem frischen Elsbeerbaume.“
     Saß ein Kindlein auf dem Boden,
Sprach das Kindlein von dem Boden:
„Bruder, was du mit dir schlappest,
Ist ein Theerholzstumpf an Schönheit,
Ist so schlank wie eine Theertonn’,
Hat die Höhe einer Weise.“

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_153.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)