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     „Bräutigam, mein lieber Bruder,
Schirre aus das Weißbestirnte,
Führe fort das gute Rößlein
Zu dem längstgewohnten Grase,
Zu dem allerfrischsten Hafer;
Sende du uns deine Grüße,
Grüße uns und grüß’ die Andern,
Grüße du das Volk des Dorfes.“
     „Hast die Grüße du beendigt,

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So erzähl’, was du erlebet,

Bist du ohne Abenteuer,
Stets gesund den Weg gewandert,
Als du gingst zur Schwiegermutter,
In das Haus des Schwiegervaters,
Hast die Jungfrau du gewonnen,
Eingestürzt des Krieges Pforte,
Hast der Jungfrau Schloß genommen,
Umgestoßen du die Wände,
Gingst zur Schwell’ der Schwiegermutter,

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Saßst du auf der Bank des Wirthen?“

     „Doch ich seh’ es ohn’ zu fragen,
Merk’ es ohne auszuforschen,
Frisch war er auf seinem Wege,
Auf der Reise gar zufrieden,
Bracht’ ein Gänslein, es gewinnend,
Stürzte ein des Krieges Pforte,
Bracht’ zum Fall die Burg von Brettern,
Stürmte rasch die Lindenwände,
Als er ging zur Schwiegermutter,

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In das Haus des Schwiegervaters;

Seht in seinem Schutz das Entlein,
In den Armen seht das Hühnlein,
An der Seite diese Jungfrau,
Ihm gepaart die Glanzbegabte.“
     „Wer wohl bracht’ hieher die Lüge,
Breitet’ aus die schlechte Kunde,
Daß der Freier leer erschienen,
Daß das Roß umsonst gelaufen?
Nicht erschien der Freier ledig,

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Nicht umsonst ist’s Roß gelaufen,

Hat wohl etwas herzuziehen,
Muß die weiche Mähne schütteln,
Ist von Schweiß sogar bedecket,
Von dem Schaume übergossen
Durch die Herschaffung des Küchleins,
Durch die Last der Lebensfrischen.“
     „Steige, Schöne, aus dem Schlitten,
Gute, komm von deinem Sitze,
Komme, ohne daß man hebet,

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Steige ungetragen nieder,

Wenn zu jung ist, der dich hebet
Und zu stolz ist, der dich träget!“
     „Hebe du dich auf vom Sitze,
Lös’ dich von des Schlittens Ende,
Komm den schönen Weg gegangen,
Auf dem leberfarbnen Boden,
Den die Säue gut geebnet,
Den die Ferkel festgetreten,
Den die Lämmer gleichgemachet,

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Reingefegt der Rosse Mähnen!“

     „Schreite mit des Gänsleins Schritten,
Tripple mit des Entleins Tritten
Auf den Hof, der reingewaschen,
Auf die flachgestreckten Fluren,
Auf den Hof des Schwiegervaters,
Wo die Schwiegermutter waltet,
Zu dem Zimmerplatz des Bruders,
Zu der Schwester grünen Fluren;
Setze deinen Fuß zur Thüre,

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Zieh ihn auf die Vorhausdiele

Steige in die duft’ge Vorstub’,
Darauf gehe in das Innre,
Unter diese schönen Balken
Unter diesem schönen Dache!“
     „Schon in diesem letzten Winter,
Schon im Sommer, der vergangen,
Tönt die Entenknochendiele,
Damit jemand auf ihr stände,
Lärmte sehr die goldne Decke,

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Damit jemand unten ginge,

Haben sich gefreut die Fenster,
Daß am Fenster jemand säße.“
     „Schon in diesem letzten Winter,
Schon im Sommer, der vergangen,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_152.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)