Wohin wollet ihr mich führen,
Wohin tragt ihr mich, die Arme,
Daß ich diese Thränen weine,
Daß ich solche Sorgen habe,
Solchen Kummer nun empfinde!“
„Hättst du lieber, arme Mutter,
Hättest du, die mich getragen,
Hättest du, die Milch gespendet,
Theure, die du mich gesäuget,
Einen Holzklotz eingewickelt,
Einen kleinen Stein gewaschen,
Statt zu waschen deine Tochter,
Zu der Sorgen großer Fülle,
Zu der bittern Herzensstimmung!“
„Mancher spricht zwar zu mir solches,
Mancher zwar hat diese Meinung:
Nimmer hast du, Thörin, Sorgen,
Kummer du auf keine Weise!
Redet nicht, o guten Leute,
Sprecht nicht also, meine Lieben!
Habe leider mehr der Sorgen
Als auf schlechtem Boden Weiden,
Heidekraut auf dürren Fluren;
Nicht vermöcht’ ein Roß zu ziehen,
Gut beschlagen nicht zu schleppen,
Ohne daß das Krummholz bebet,
Ohne daß das Kummet zittert,
Diese meine Sorgen alle,
Meinen ganzen trüben Kummer.“
Sang ein Knabe von dem Boden,
„Weshalb, Jungfrau, willst du weinen,
Willst du große Sorgen hegen;
Laß die Sorgen du den Pferden,
Kummer du dem schwarzen Wallach,
Laß die Eisenmaul’gen Klagen,
Jammern die mit großen Köpfen;
Bess’re Köpfe haben Pferde,
Bess’re Köpfe, härtre Knochen,
Mehr trägt ihres Nackens Krümmung,
„Brauchest keineswegs zu weinen
Und dich also abzuhärmen;
Nimmer führt man dich in Sümpfe,
Nicht zum Rande kleiner Bäche,
Fortgeführt aus Fruchtgefilden,
Kommest du zu reichern Feldern,
Fortgeführt aus Biergebäuden,
Kommest du zu Bier in Fülle.“
„Schauest du auf deine Seite,
Sieh, da steht der Mann zum Schutze,
Er, der Frische, dir zur Seite,
Gut der Mann, das Roß vortrefflich,
Stallgeräth von allen Arten,
Haselhühner flattern munter,
Fliegen an des Krummholz Wölbung,
Drosseln haben ihre Freude,
Singen lustig in den Riemen,
Sechs der goldnen Kuckucksvögel
Sieben schöne blaue Vöglein
Singen vorne auf dem Schlitten.“
„Sei, o Liebe, nicht in Sorgen,
Nicht in Kummer, Mutterkindlein,
Kommest ja nicht in schlechtre Lage,
Kammest jetzt in bess’re Lage,
An des Ackermannes Seite,
Neben diesem Ackerfurcher,
An dem Kinn des Brotverschaffers,
Bei dem Schweiß des Elennjägers,
In dem Bad des Bärenjägers!“
„Hast der Männer allerbesten,
Einen Helden stark bekommen,
Nimmer müßig ist sein Bogen,
An dem Nagel nicht sein Köcher,
Läßt die Hunde nicht im Hause,
Nicht auf weichem Lager ruhen.“
„Dreimal ist in diesem Frühjahr
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_131.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)