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Ward das rothe Bier gelagert,
Ward das Dünnbier fortgeführet
In der Erde nun zu schlafen,
In dem festen Felsenkeller,
In den festen Eichenfässern,
Hinter kupferreichen Zapfen.
     Fertig ließ Pohjola’s Wirthin
Darauf alle Speisen kochen,
Ließ die Kessel alle brausen,

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Ließ die Pfannen alle zischen,

Backte darauf große Bröte,
Klopfte große Massen Breies
Zu des guten Volkes Nahrung,
Zu des großen Haufens Speisung
Bei des Nordens langem Schmause,
Beim Gelage Sariola’s.
     Fertig backte sie die Bröte,
Klopfte fertig bald die Breie,
Wenig Zeit war hingegangen,

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Kaum ein Augenblick verflossen,

Als das Bier im Fasse klopfte,
Dünnbier in dem Keller rauschte:
„Mag man kommen mich zu trinken,
Komme man mich auszuschlürfen,
Daß mit Ehren man mich rühme,
Mich nach rechter Art besinge.“
     Ward gesucht nach einem Sänger,
Einem wohlerfahrnen Sänger,
Der gehörig preisen könnte

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Und gar schöne Lieder singen;

Einen Lachs bringt man als Sänger,
Einen Hecht um gut zu singen,
Singen ist nicht Lachses Sache,
Hechte können nimmer singen,
Lachse haben schiefe Kiefer,
Hechte weitgespreizte Zähne.
     Ward gesucht nach einem Sänger,
Einem wohlerfahrnen Sänger,
Der gehörig singen könnte,

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Schöne Lieder tönen ließe;

Einen Knaben bracht’ zum Singen,
Brachte man als Sänger jetzo,
Singen ist nicht Knabensache,
Nicht des speichelreichen Kindes,
Kinder haben krumme Zungen,
Zungen mit gebogner Wurzel.
     Hitzig ward das Bier im Fasse,
Heftig fluchte das Getränke
In den festen Eichenfässern,

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Hinter kupferreichen Zapfen:

„Schaffet ihr nicht einen Sänger,
Einen wohlerfahrnen Sänger,
Der gehörig singen könnte,
Schöne Lieder tönen ließe,
Schlage ich durch alle Reifen,
Werde ich den Boden sprengen.“
     Darauf ließ Pohjola’s Wirthin
Überall zur Hochzeit laden,
Sandte Boten um zu bitten,

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Redet selber diese Worte:

„O mein liebes, kleines Mädchen,
Dienerin, die mir gehöret!
Ruf’ die Leute nun zusammen,
Zum Gelag’ die Männerschaaren,
Bitte Arme, bitte Dürft’ge,
Bitte Blinde, Mühbeladne,
Bitte Lahme, bitte Krüppel,
Bring’ die Blinden du in Böten,
Bring’ zu Rosse her die Lahmen,

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Schlepp’ die Krüppel her im Schlitten!“

     „Lade ein das ganze Nordvolk,
Lade ein das Volk Kalewa’s,
Bitt’ den alten Wäinämöinen,
Daß er hieselbst kunstvoll singe,
Bitte nur nicht Kaukomieli,
Nicht den Inselländer Ahti!“
     Antwort giebt das kleine Mädchen,
Redet Worte solcher Weise:
„Warum soll ich Kaukomieli,

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Soll den Ahti ich nicht bitten?“

     Darauf giebt des Nordlands Wirthin
Diese Worte ihr zur Antwort:
„Deshalb sollst den Kaukomieli,
Sollst den Ahti du nicht bitten,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_118.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)