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„Schlecht hast du die Sach’ gemachet,
Daß den Kopf du abgetrennet,
Aufgeschlitzt den Bauch des Hechtes,
Durchgerupft die Brust des Fisches,
Daß du von dem Fleisch geschmecket.“
     Selbst der Schmieder Ilmarinen
Giebt zur Antwort solche Worte:
„Nie erlangt man ohne Schaden

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Beute von dem besten Orte,

Habe sie aus Tuoni’s Flusse,
Aus Manala sie geholet;
Ist die Jungfrau jetzo fertig,
Derentwegen ich gewachet?“
     Sprach die Wirthin von Pohjola,
Redet’ selber diese Worte:
„Fertig ist anjetzt die Jungfrau,
Derentwegen du gewachet,
Gebe dir mein liebes Entlein,

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Rüste aus das nette Vöglein

Für den Schmieder Ilmarinen
Als Gefährtin für das Leben,
Als Genossin deiner Tage,
Als ein heißgeliebtes Hühnchen.“
     Auf dem Boden saß ein Knabe,
Von dem Boden sang ein Kindlein:
„Schon erschien in diesen Stuben,
Kam in unser Schloß ein Vogel,
Flog von Osten her ein Adler,

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Durch die Lüfte her ein Habicht,

Einen Flügel an den Wolken,
An den Wogen mit dem andern,
Kehrt die Fluthen mit dem Schweife,
Mit dem Kopf reicht er zum Himmel;
Blicket um sich in die Runde,
Fliegt ein Weilchen, hält dann inne,
Flieget auf das Schloß der Männer,
Lärmet mit dem großen Schnabel;
Eisern ist das Dach der Männer,

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Kann nicht in das Innre dringen.“

     „Blicket um sich in die Runde,
Fliegt ein Weilchen, hält dann inne,
Flieget auf das Schloß der Weiber,
Lärmet mit dem großen Schnabel;
Kupfern ist das Dach der Weiber,
Kann nicht in das Innre dringen.“
     „Blicket um sich in die Runde,
Fliegt ein Weilchen, hält dann inne,
Flieget auf das Schloß der Mädchen,

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Lärmet mit dem großen Schnabel;

Leinen ist das Dach der Mädchen,
Kann bald in das Innre dringen.“
     „Flieget auf des Schlosses Rauchfang,
Läßt herab sich zu der Decke,
Stößet fort das Brett am Fenster,
Setzt sich auf des Schlosses Fenster,
Auf die Wände grünbefiedert,
Reich an Federn auf die Balken.“
     „Schauet auf die Schöngelockte,

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Blicket auf die Schönbehaarte,

Auf die Beste von den Mädchen,
Auf der Schöngelockten Schönste,
Auf der Perlgeschmückten Nettste,
Auf der Blumenreichen Werthste.“
     „Mit den Klauen packt der Adler,
Greifet rasch der Habichtsvogel,
Schießet auf des Schwarmes Beste,
Auf die netteste der Enten,
Auf die weichste, auf die zartste,

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Auf die flinkste, auf die weißste,

Diese packt der Lüfte Vogel,
Diese ritzt die lange Klaue,
Die ihr Köpfchen hoch emporträgt,
Die am schönsten an dem Körper,
Mit den schönsten Bürzelfedern,
Mit dem zärtsten, weichsten Flaume.
     Sprach die Wirthin von Pohjola,
Redet’ Worte solcher Weise:
„Woher wußtest du, Geliebter,

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Hörtest du, o goldner Apfel,

Daß die Jungfrau hier gewachsen,
Daß der Flachs des Hauptes flattert,
Glänzte wohl des Mädchens Silber,
Ward gerühmt das Gold des Mädchens,
Schien von uns zu euch die Sonne,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_109.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)