Seite:Kalewala, das National-Epos der Finnen - 103.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

     Darauf ging des Nordlands Wirthin,
Mit der Wirthin auch die Tochter
Gar geschwinden Schritts zum Hofe,
Eilten rasch hinaus ins Freie,
Warfen ihre Augen dorthin,

590
Wandten ihren Kopf zur Sonne;

Sahen dorther angekommen,
Angesegelt einen Nachen,
Hundert Bretter hat der Nachen
Diesseits in dem Lempibusen,
Bräunlich schien das Boot von unten,
Röthlich glänzt’ die ob’re Hälfte,
Voller Kraft stützt an dem Steuer
Sich ein Mann aufs Kupferruder;
Laufen sahen sie das Füllen,

600
Sie den rothen Schlitten gleiten,

Fahren ihn, den buntgeschmückten,
An dem Strand des Honigholmes;
Sechs der goldnen Kuckucksvögel
Lärmten an dem Krummholzbogen,
Sieben blaugefärbte Vögel
Sangen an des Joches Riemen,
Saß ein stolzer Held im Schlitten,
Hält die Zügel in den Händen.
     Sprach die Wirthin von Pohjola,

610
Redet’ selber diese Worte:

„Bist zu gehen du gesonnen,
Wenn sie kommen dich zu freien
Als Gefährtin für das Leben,
Als ein heißgeliebtes Hühnchen?“
     „Welcher mit dem Boote kommet,
Mit dem rothen Fahrzeug schiffet
Diesseits in dem Lempibusen,
Ist der alte Wäinämöinen,
Führt im Schiffe guten Vorrath,

620
Schätze auf des Bootes Boden.“

     „Welcher in dem Schlitten fähret,
In dem buntgeschmückten gleitet
An dem Strand des Honigholmes,
Ist der Schmieder Ilmarinen,
Kommet her mit leeren Händen,
Hat den Schlitten voll mit Sprüchen.“
     „Treten sie in unsre Stube,
Bring’ du Honigtrank im Kruge,
Bringe ihn im doppelohr’gen,

630
Leg’ den Krug in dessen Hände,

Dem zu folgen du gesonnen;
Gieb ihn nur dem Wäinämöinen,
Der im Schiffe Güter brachte,
Schätze in des Bootes Boden!“
     Doch des Nordlands schöne Tochter
Giebt zur Antwort solche Rede:
„Theure, die du mich getragen,
Mutter, die mich auferzogen!
Werde nicht den Reichthum wählen,

640
Nicht den Mann mit großen Schätzen,

Wähl’ den Mann mit schönem Antlitz,
Den an allen Gliedern schönen;
Nimmer ist in frühern Zeiten
Wohl ein Mädchen so verkaufet,
Ohne Schätze wird sie folgen
Ilmarinen, jenem Schmieder,
Der den Sampo hat geschmiedet,
Der den Deckel hat gehämmert.“
     Sprach die Wirthin von Pohjola:

650
„O du Kind voll lauter Thorheit!

Wählst den Schmieder Ilmarinen,
Dessen Stirn vom Schweiße triefet,
Seine Leinen rein zu spülen,
Und des Schmiedes Kopf zu waschen.“
     Also antwortet die Tochter,
Redet Worte solcher Weise:
„Will den Wäinämöinen nimmer,
Nicht den alten Mann beschützen,
Würde Mühe mit ihm haben,

660
Langeweile mit dem Greise.“

     Drauf gelangte Wäinämöinen
Früher an das Ziel der Reise,
Stieß den rothgefärbten Nachen,
Setzt des dunkelfarb’ge Fahrzeug
Auf die eisenfesten Rollen,
Auf die kupferreichen Walzen,
Dringt dann selber in die Stube,
Geht geschwinde ein zum Hause,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_103.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)