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Was der dunkle Hund gebellet,
Angeschlagen er, der Thorwart!“
     Also antwortet die Alte:
„Hab’ nicht Zeit und kein Verlangen,
Muß die große Wirthschaft sätt’gen,
Muß das Mittagsmahl besorgen,
Muß das große Brot bereiten,
Muß den Teig recht kräftig kneten,
Groß ist’s Brot, das Mehl vom feinsten,

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Habe wenig Kraft zum Backen.“

     Sprach der Hauswirth von Pohjola:
„Immer haben Weiber Eile,
Mädchen immer viel zu schaffen,
Wenn am Ofen sie sich braten,
In dem Bette lang sich strecken,
Geh, o Sohn, um zuzuschauen!“
     Also antwortet der Bursche:
„Hab’ nicht Zeit um zuzuschauen,
Muß das stumpfe Beil jetzt schleifen,

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Einen großen Block zerhauen,

Einen Haufen Holz nun spalten,
Es in feine Scheite schlagen,
Groß der Haufen, fein die Scheite,
Habe wenig Kraft zum Hauen.“
     Immer bellt’ des Schlosses Kläffer,
Knurrte noch des Schlosses Hündin,
Lärmte noch der Hund, der Unhold,
Klagte noch des Hügels Wächter,
Sitzend auf dem Saum des Feldes,

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Seinen Schwanz gar fleißig krümmend.

     Sprach der Hauswirth von Pohjola:
„Ohne Grund bellt nicht der Braune,
Nimmer schlägt er an vergebens,
Knurret nicht der Föhren wegen.“
     Ging nun selber zuzuschauen,
Schreitet durch den Raum des Hofes
Zu des Feldes letztem Rande,
Zu dem hintersten der Äcker.
     Schauet auf des Hundes Schnauze,

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Sieht die Schnauze hingerichtet

Auf des Sturmeshügels Spitze,
Auf des Erlenberges Rücken;
Sah nun wohl die ganze Wahrheit,
Was der Braune so gebellet
So geklagt die Zier des Bodens,
So geheult der Wollschwanzträger;
Rothgefärbt ein Fahrzeug segelt
Auf des Lempibusens Rücken
Und ein bunter Schlitten eilte

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An dem Strand des Honigholmes.

     Selbst der Hauswirth von Pohjola
Ging sogleich in seine Stube,
Macht sich auf nach seinem Hause,
Redet selber solche Worte:
„Fremde sind bereits gekommen
Auf des blauen Meeres Rücken,
Angefahren auch ein Schlitten
An dem Strand des Honigholmes,
Angesegelt ist ein Fahrzeug

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Auf des Lempibusens Rücken.“

     Sprach die Wirthin von Pohjola:
„Woher nehmen wir ein Zeichen,
Weshalb her die Fremden kommen?
O du liebe, kleine Tochter,
Lege Sperberholz ins Feuer,
Zünde an des Holzes Zierde!
Fließet es von rothem Blute,
O, dann kommet es zum Kriege,
Fließt dagegen reines Wasser,

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Ja, dann bleiben wir in Frieden.“

     Nordlands schlankgewachsne Jungfrau,
Sie, ein Mädchen gar bescheiden,
Legt das Sperberholz ins Feuer,
Zündet an des Holzes Zierde;
Fließet nicht von rothem Blute,
Nicht von Blute, nicht von Waßer,
Honig sah hervor sie fließen,
Süßen Seim zum Vorschein kommen.“
     Aus dem Winkel sprach Suowakko,

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Redet aus dem Bett die Alte:

„Fließet Honig aus dem Holze,
Träufelt es von süßem Seime,
Sind die Gäste, die jetzt kommen,
Eine große Schaar von Freiern.“

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_102.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)