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Rossen machst du Sommers Hufe

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Schmiedest Winters dazu Eisen,

Nachts baust du an deinem Schlitten,
Machst die Seiten an dem Tage,
Um zur Brautfahrt hinzuwandern,
Nach dem Nordland aufzubrechen,
Dahin eilet nun ein Schlau’rer,
Kommet dir zuvor ein Weit’rer,
Führt hinweg was dir gehöret,
Nimmt für sich was du geliebet,
Zwei der Jahre angeblicket,

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Drei der Jahre drum geworben;

Wäinämöinen eilet jetzo
Auf des blauen Meeres Rücken,
An der Spitz’ mit goldnem Schnitzwerk,
An dem Kupfersteuer sitzend
Nach dem nimmerhellen Nordland,
Nach dem düstern Sariola.“
     Kam dem Schmieder so ein Kummer,
Schwere Zeit dem Eisenmanne,
Aus der Faust prallt’ ihm die Zange,

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Aus der Hand sank ihm der Hammer.

     Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Annikki, du liebe Schwester!
Werde dir ein Weberschiffchen,
Schöne Fingerringe schmieden,
Zwei, ja drei der Ohrgehänge,
Fünf, ja sechs der Gürtelketten,
Wärme du die süße Badstub’,
Füll’ mit Rauch die Honigkammer
Mit den feingespaltnen Scheiten,

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Mit gar klein gebrochnen Spänen,

Gieb mir auch ein wenig Asche,
Gieb ein Bißchen von der Lauge,
Daß den Kopf ich damit wasche,
Meine Glieder damit rein’ge
Von den Kohlen seit dem Herbste,
Von den Schlacken seit dem Winter!“
     Annikki mit gutem Namen
Wärmte heimlich drauf die Badstub’,
Heizt’ mit Holz, das Wind gebrochen,

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Das der Donnerkeil zerschlagen,

Sammelt’ Steine aus dem Strome,
Mehrt’ durch Sprengen drauf die Hitze
Durch das Wasser aus der Quelle,
Aus dem stetsbewegten Sprudel,
Brach dann Besen im Gebüsche,
Macht’ aus Laub ihm weiche Quasten,
Bäht’ die honigreichen Besen
Auf des süßen Steines Spitze,
Macht’ aus saurer Milch ihm Lauge,

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Macht’ aus Knochenmark ihm Seife,

Macht’ aus glattem Stoff die Seife,
Macht’ sie aus geschmeid’ger Masse,
Um des Freiers Kopf zu waschen,
Seine Glieder rein zu reiben.
     Selbst der Schmieder Ilmarinen,
Er, der ew’ge Schmiedekünstler,
Schmiedet was die Jungfrau wünschte,
Bessert aus den Schmuck des Kopfes,
Während sie die Badstub’ heizte,

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Eilend ihm das Bad besorgte;

Legt ihr in die Hand die Sachen,
Also redete die Jungfrau:
„Hab’ die Badstub’ schon geheizet,
Schon gewärmt die dampf’ge Kammer,
Habe schon gebäht die Besen,
Schon geschwungen dort die Quasten;
Bade dich nun zur Genüge,
Gieße Wasser nach Belieben,
Wasch das Haupt zur Flachses Weiße,

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Deine Augen gleich dem Schneeglanz!“

     Ilmarinen, er, der Schmieder,
Ging nun selber sich zu baden,
Wusch sich dorten zur Genüge,
Scheuert’ blank den ganzen Körper,
Wusch die Augen, daß sie glänzten,
Wusch die Schläfen, daß sie blühten,
Seinen Hals so weiß wie Eier,
Seine Glieder, daß sie strahlten;
Kommt ins Zimmer aus dem Bade,

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Kommt, daß man ihn kaum erkennet,

Wunderschön sind seine Wangen,
Schöngeröthet ihre Fläche.

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_099.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)