Seite:Kalewala, das National-Epos der Finnen - 065.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Dreizehnte Rune.


     Sprach der muntre Lemminkäinen
Zu der Alten von Pohjola:
„Gieb, o Alte, nun das Mädchen,
Bring mir deine schöne Tochter,
Mir die Beste aus der Menge,
Aus der Mädchenschaar die Längste!“
     Drauf entgegnet Nordlands Wirthin,
Redet selber solche Worte:
„Gebe dir nicht meine Tochter,

10
Geb’ dir nicht das liebe Mädchen,

Nicht die Beste, nicht die Schlechtste,
Nicht die Längste, nicht die Kürzste,
Hast ja längst schon eine Hausfrau,
Heimgeführet eine Wirthin.“
     Sprach der muntre Lemminkäinen:
„In das Dorf trieb ich Kyllikki
Zu des Dorfes Eingangspforten,
Zu den fremden Einfahrtsthoren;
Will von hier ein bessres Weibchen;

20
Bringe mir nun deine Tochter,

Aus der Jungfraunschaar die Hübschste,
Aus der Zahl der Schöngelockten!“
     Sprach die Wirthin von Pohjola:
„Gebe nimmer meine Tochter
Einem Manne ohne Nutzen,
Einem Helden ohne Frommen;
Bitte dann um meine Tochter,
Wirb’ um sie, die Blumenkrone,
Wenn das Elennthier von Hiisi

30
Von dem Hiisifeld du holest.“

     Es beschlug nun Lemminkäinen
Seinen Wurfspieß recht behende,
Spannt die Sehne auf den Bogen
Und bereitet seine Pfeile,
Redet selber diese Worte:
„Schon beschlagen ist mein Wurfspieß,
Alle Pfeile in Bereitschaft,
Schon bespannet ist der Bogen,
Habe nun für beide Füße

40
Nur noch Schneeschuh zu besorgen.“

     Selbst der muntre Lemminkäinen
Dachte nach und überlegte,
Woher er die Schneeschuh schaffen,
Wie er sie sich machen könnte.
     Schreitet zu dem Hofe Kauppi’s,
Zu der Schmiede von Lyylikki:
„O du weiser Wuojaländer,
Kauppi, du, der Lappen schönster,
Mache mir zwei hübsche Schneeschuh,

50
Glätte sie, daß schön sie werden,

Daß das Elennthier des Hiisi
Ich vom Felde Hiisi’s fange.“
     Lyylikki giebt ihm zur Antwort,
Kauppi den Bescheid geschwinde:
„Gehst umsonst, o Lemminkäinen,
Um das Elennthier zu jagen:
Wirst ein Stückchen morschen Holzes
Nur mit großer Sorg’ erlangen.“
     Wenig kümmert’s Lemminkäinen,

60
Redet selber diese Worte:

„Schaffe mir die Schneeschuh fertig,
Mach’ daß sie zu Stande kommen,
Gehen will ich und das Elenn
Von dem Felde Hiisi’s fangen.“
     Lyylikki, der Schneeschuhmacher,
Kauppi, Meister dieses Faches,
Schnitzte in dem Herbst die Schneeschuh,
Glättet’ sie im Lauf des Winters,
Hobelt einen Tag den Stockschaft,

70
Macht den Ring am zweiten Tage.

     Fertig war der linke Schneeschuh,
Fertig wurde auch der rechte,
Fertig war der Stockschaft worden,
Angefüget schon das Ringlein;
Eine Otter galt der Stockschaft,
Einen Fuchs der Ring des Stockes.
     Schmierte dann mit Fett die Schneeschuh,
Mit dem Talg des raschen Rennthiers,
Selber hatt’ er den Gedanken

80
Selber sprach er diese Worte:
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_065.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)