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Eilfte Rune.


     Müssen jetzt von Ahti sprechen,
Von dem muntern Burschen singen.
Ahti, dieser Inselländer,
Lempi’s Sohn, der Gutgelaunte,
Wuchs im hochgebauten Hause,
An der lieben Mutter Seite,
An dem Rand der breiten Meerbucht,
An dem Bug der fernen Spitze.
     Kauko nährte sich mit Fischen,

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Wuchs empor, verzehrte Barsche,

Wurde Mann, der besten einer,
Blühte auf mit rothem Blute,
War am Haupte gar vortrefflich,
Und von Wuchs wohl ausgezeichnet;
War jedoch nicht ohne Fehler,
Frevelhaft in seinen Sitten:
Stets bei Weibern war sein Leben,
Wanderte umher zur Nachtzeit,
Bei der Mädchen muntern Freuden,

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Bei dem Tanz der Zopfgeschmückten.

     War auf Saari eine Jungfrau,
Eine Jungfrau, eine Blume,
Wuchs sie in dem hohen Hause,
Schoß gar herrlich in die Höhe,
Sitzend in des Vaters Wohnung,
Wo die Hinterbank sich beugte.
     Lange wuchs sie, weit gepriesen,
Weither kamen Freiersleute
Nach dem Haus der schönen Jungfrau,

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Nach dem Hof der Vielgepriesnen.

     Für ihr Söhnchen wirbt die Sonne,
Nicht will sie zum Sonnenlande,
An der Sonne Seit’ zu leuchten,
Bei der sommerlichen Eile.
     Für den Sohn wirbt auch der Goldmond,
Nicht will sie zum Haus des Mondes,
An des Mondes Seit’ zu leuchten,
Um den Luftkreis zu durchlaufen.
     Für den Sohn wirbt auch ein Sternlein,

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Nicht will sie zur Sternesheimath,

Lange in der Nacht zu flimmern
An dem winterlichen Himmel.
     Freier kamen selbst aus Ehstland,
Andre kamen von den Ingern,
Nimmer will die Jungfrau gehen,
Selber giebt sie dieß zur Antwort:
„Ganz umsonst wird Gold verschwendet,
Wird verbraucht von euch das Silber,
Werde nicht nach Ehstland gehen,

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Werd’ nicht gehen, werd’ nicht wollen

In dem Wasser Ehstlands rudern,
Werd’ nicht Saari’s Wogen messen,
Nicht die Fische Ehstlands essen,
Nicht die Fischsupp’ Ehstlands schlürfen.“
     „Geh’ auch nicht zum Ingerlande,
Zu den Rändern, zu den Strändern,
Hunger ist dort und nur Hunger,
Fehlt an Holz und fehlt an Spänen,
Fehlt an Wasser, fehlt an Waizen,

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Fehlet selbst an Roggenbröten.“

     Doch der muntre Lemminkäinen,
Selbst der schöne Kaukomieli,
Übernimmt es nun zu gehen
Um die Saariblum’ zu werben,
Um ein Bräutchen hochgefeiert,
Um die schöne Zopfgeschmückte.
     Ab will ihn die Mutter bringen,
Warnen will die greise Alte:
„Werbe nicht, mein liebes Söhnchen,

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Um ein Mädchen bess’rer Herkunft;

Nicht wirst du geduldet werden
In dem großen Stamme Saari’s.“
     Sprach der muntre Lemminkäinen,
Selbst der schöne Kaukomieli:
„Bin ich nicht aus hohem Hause,
Nicht aus gar zu großem Stamme,
Werde ich nach meinem Wuchse,
Nach dem Aussehn eine wählen.“
     Immer noch verbot die Mutter

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Lemminkäinen hin zu gehen
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_054.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)