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Gold erglänzte an dem Busen,

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Silber schimmert’ auf dem Haupte.

     Nordlands Wirthin führte selber
Ilmarinen, ihn, den Schmieder,
In des Nordlands Wohngebäude,
In das Haus von Sariola,
Sättigt dort den Mann mit Speisen,
Giebt ihm auch genug zu trinken
Und bewirthet ihn gar trefflich;
Fing drauf also an zu sprechen:
„O du Schmieder Ilmarinen,

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Ewig tücht’ger Schmiedekünstler,

Kannst du mir den Sampo schmieden,
Mir den bunten Deckel hämmern
Aus der Schwanenfeder Spitze,
Aus der Milch der güsten Stärke,
Aus dem kleinen Korn der Gerste,
Aus des Sommerschafes Wolle,
So erhältst die Maid zum Lohne,
Für das Werk du meine Tochter?“
     Sprach der Schmieder Ilmarinen,

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Redet’ selber diese Worte:

„Werde wohl den Sampo schmieden,
Dir den bunten Deckel hämmern
Aus der Schwanenfeder Spitze,
Aus der Milch der güsten Stärke,
Aus dem kleinen Korn der Gerste,
Aus des Sommerschafes Wolle,
Da den Himmel ich geschmiedet,
Ich der Lüfte Dach gehämmert,
Ohne den geringsten Anfang,

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Ohn’ ein Bändchen vorzufinden.“

     Ging den Sampo dann zu schmieden,
Ging den bunten Deckel hämmern,
Fragte nach der Schmiedestätte,
Suchte nach dem Schmiedezeuge,
War dort keine Schmiedestelle,
Keine Schmiede, keine Bälge,
Keine Esse und kein Amboß,
Keine Hämmer, keine Klopfer.
     Sprach der Schmieder Ilmarinen,

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Redet’ Worte solcher Weise:

„Alte Weiber nur verzweifeln,
Schufte lassen ’was zur Hälfte,
Nicht ein Mann, ein schlechtrer selber,
Nicht ein Held von wen’gern Kräften!“
     Suchte für die Ess’ ein Plätzchen,
Für die Bälge eine Stelle
Auf den dort’gen Landesstrecken,
An dem Rand der Nordgefilde.
     Suchte einen Tag, den zweiten,

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Endlich an dem dritten Tage

Kam ein buntgestreifter Steinblock,
Kam ein Fels ihm zu Gesichte:
Dahin läßt der Schmied sich nieder,
Dort bereitet er sich Feuer,
Einen Tag stellt er die Bälge,
An dem andern Tag die Esse.
     Ilmarinen, er, der Schmieder,
Dieser ew’ge Schmiedekünstler,
Drängt die Stoffe in das Feuer,

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In die Esse seine Arbeit,

Stellte Knechte an den Blasbalg,
Stellt’ sie hin, um stets zu schüren.
     Hastig trieben sie den Blasbalg,
Schürten voller Fleiß die Kohlen
Drei der schönsten Sommertage,
Drei der Sommernächte emsig,
Steine wuchsen an den Fersen,
Blöcke an der Zehen Spitzen.
     An dem ersten Tage beugte

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Selbst der Schmieder Ilmarinen

Sich herab um zuzuschauen
Auf dem Boden seiner Esse,
Was wohl aus dem Feuer käme,
Aus der Flamme sich erhöbe.
     Aus dem Feuer drang ein Bogen
Mit dem Goldesglanz des Mondes,
Golden ganz mit Silberspitzen,
An dem Schaft von buntem Kupfer.
     Schön von Anblick ist der Bogen,

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Aber leider bösgeartet:

Frägt nach einem Kopfe täglich,
Zwei verlangte er am Festtag.

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_050.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)