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Nein, du selber hast das Unheil,
Hast das Schreckenswerk begonnen.“
     „Komme jetzt und sieh dein Machwerk,
Komm dem Übel abzuhelfen,
Eh’ ich’s deiner Mutter sage,
Ehe ich’s der Alten klage,
Mehr bekommt zu thun die Mutter,

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Hat gar große Müh’ die Alte,

Wenn der Sohn ’was Böses thuet,
Wenn das Kind verwegen handelt!“
     „Hör, o Blut, nun auf zu fließen,
Warmer Strahl, hervorzuquellen,
An die Stirne mir zu sprützen,
An die Brust mir herzubrausen,
Steh, o Blut, gleich einer Mauer,
Stehe still gleich einem Zaune,
Stehe wie ein Schwert im Meere,

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Wie das Riedgras in dem Moose,

Wie ein Felsblock auf dem Felde,
Wie ein Stein im Wasserfalle!“
     „Sollt’ jedoch dein Sinn dich treiben,
Daß behende du dich rührest,
Nun, so rühre dich im Fleische,
Lauf geschwinde in den Knochen;
Drinnen ist es dir viel besser,
In der Haut bedeutend schöner,
In den Adern dort zu rauschen,

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In den Knochen dich zu rühren,

Als zur Erd’ herabzufließen,
In dem Staube zu verrinnen.“
     „Wirst, o Milch, nicht auf den Boden,
Wirst nicht auf den Rasen fließen,
In das Heu nicht, Zier der Männer,
Auf den Hügel, Gold der Helden,
In dem Herzen mußt du wohnen,
In der Lunge ist dein Keller,
Dahin ziehe rasch zurücke,

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Dahin eile recht behende,

Brauchest nicht als Bach zu fließen,
Noch als See dich auszubreiten,
Nicht als Sumpfes Quell zu sprudeln,
Nicht als Lache hinzurieseln.“
     „Stehe still, hör auf zu fließen,
Rothes Blut, hör auf zu rinnen,
Werde still und hemm’ dich selber!
Stand ja selbst der Fall von Tyrjä,
Inne hielt der Fluß der Todten,

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Trocken wurden Meer und Himmel

In dem großen Dürresommer,
In dem Feuerjahr voll Qualen.“
     „Wenn du dieses nicht beachtest,
Weiß ich wohl noch andre Wege,
Weiß was ich zu suchen habe:
Ruf’ herbei des Hiisi Grapen,
Daß darin das Blut ich koche,
Es gar heftig dort erhitze,
Daß kein Tröpflein mir entrinne,

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Von dem rothen Saft entkomme,

Nicht das Blut zur Erde fließe,
Aus der Wunde niederbrause.“
     „Sollt’ in mir der Mann nicht stecken,
Nicht ein Held im Sohn des Alten,
Der des Blutes Strömung hemmet,
Der der Adern Gießbach dämmet,
O, so wird der Vater droben,
Er, der Schöpfer im Gewölke,
Er, der mächtigste der Männer,

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Er, der kräftigste der Helden

Wohl den Mund des Blutes stopfen,
Seine Strömung endlich stillen.“
     „Ukko du o Schöpfer oben,
Gott und Vater in dem Himmel!
Komm herbei, du bist vonnöthen,
Komm, du wirst herbeigerufen,
Drücke mit den kräft’gen Händen,
Dränge mit dem dicken Daumen
Fest zusammen diese Wunde

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Und verschließ die böse Öffnung,

Lege drauf gar zarte Blätter,
Streue aus die goldnen Blumen,
Daß des Blutes Bahn geschlossen,
Daß gedämmt die Strömung werde,
Daß sie nicht zum Bart mir sprütze,
Auf die Kleider mir nicht brause!“

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_044.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)