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In des Schmiedes großem Feuer,
Durch die Kraft der lichten Flamme.“
     „Da ach! schrie das arme Eisen:
„„Ilmarinen, lieber Schmieder,
Nimm mich lieber fort von hinnen,

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Aus des rothen Feuers Qualen!““

     „Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„„Nehm’ ich dich jetzt aus dem Feuer,
Wirst gar furchtbar du gerathen,
Viel zu wild du dich gebehrden,
Deinen eignen Bruder schneiden,
Deiner Mutter Kind verwunden.““
     „Darauf schwor das arme Eisen,
Schwor’s den stärksten aller Eide
Bei der Esse, bei dem Amboß,

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Bei dem Hammer, bei dem Klopfer,

Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
„„Giebt wohl Bäume noch zu beißen,
Kann der Steine Herz verzehren,
Werde nicht den Bruder schneiden,
Nicht der Mutter Kind verwunden;
Besser ist es mir zu leben
Und vorzüglicher mein Dasein,
Wenn ich in Gesellschaft wandre

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Und als Händewerkzeug diene,

Als den eignen Stamm zu zehren,
Als Verwandte zu verwunden.““
     „Darauf riß Schmied Ilmarinen,
Dieser ew’ge Schmiedekünstler,
Aus dem Feuer rasch das Eisen,
Legt es auf die Amboßfläche,
Schmiedet bis es weich geworden,
Hämmerte gar scharfe Dinge,
Hämmert Speere, hämmert Äxte,

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Hämmert Waaren jeder Weise.“

     „Fehlt dem Eisen noch ein wenig,
War dem Armen noch ’was nöthig:
Noch nicht kocht des Eisens Zunge,
Noch nicht wuchs der Mund des Stahles,
Hart gedieh noch nicht das Eisen,
Von dem Wasser nicht befeuchtet.“
     „Darauf denkt Schmied Ilmarinen
Selber nach und überlegte,
Streute aus ein wenig Asche,

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Legte von der Lauge etwas

Zu des Stahles Schmiedewasser,
Zu des Eisens Härtungssafte.“
     „Kostet drauf mit seiner Zunge,
Prüfet gut mit seinem Sinne,
Redet selber diese Worte:
„„Nein, es taugt die Masse nimmer
Zu des Stahles Schmiedewasser,
Zu des Eisens Härtungssafte.““
     „Eine Biene flog vom Boden,

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Blaugeflügelt aus dem Grase,

Fliegt umher und hält dann inne
An der Schmiede Feueresse.“
     „Sprach der Schmieder diese Worte:
„„Bienchen, du behendes Männchen,
Bringe Honig auf den Flügeln,
Hole Süße mit der Zunge
Aus der Krone von sechs Blumen,
Aus der Spitz’ von sieben Kräutern,
Um den Stahl hier zu bereiten,

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Um das Eisen anzurichten!““

     „Hiisi’s Vöglein, die Hornisse
Schaute zu und hört die Worte,
Schaute von des Daches Firste,
Sitzend in der Birkenrinde,
Als das Eisen dort bereitet,
Als der Stahl geschmiedet wurde.“
     „Fliegt mit Schnelligkeit von dannen,
Streuet alle Schrecken Hiisi’s,
Bringt das Zischen böser Schlangen,

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Bringt das schwarze Gift der Nattern,

Bringt die Ätze der Ameisen,
Bringt geheimes Gift der Frösche
Zu des Stahles Schmiedewasser,
Zu des Eisens Härtungssafte.“
     „Selbst der Schmieder Ilmarinen,
Er, der ew’ge Schmiedekünstler,
Glaubte da und war der Meinung,
Daß das Bienchen angelanget,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_042.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)