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Neunte Rune.


     Nun erhob sich Wäinämöinen
Selber rasch auf seinem Schlitten,
Steiget ohne alle Hülfe
Und erhebt sich ungehoben,
Tritt heran zu dem Gebäude
Und begiebt sich in die Stube.
     Dort wird eine Silberkanne,
Eine goldne hergetragen,
Doch sie fasset nur gar wenig,

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Nur die allerkleinste Menge

Von dem Blute Wäinämöinen’s,
Aus der Wunde dieses Helden.
     Von dem Ofen kreischt der Alte,
Ruft der Greis mit grauem Barte:
„Wer denn bist du von den Männern,
Wer wohl aus der Zahl der Helden?
Von dem Blut sind sieben Bootvoll,
Acht der allergrößten Zuber
Dir von deinen Knieen, Ärmster,

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Auf den Boden hingeflossen;

Andre Worte möcht’ ich wissen,
Leider weiß ich nicht den Anfang
Von dem Ursprunge des Eisens,
Von des Erzes erstem Wachsen.“
     Sprach der alte Wäinämöinen,
Redet’ Worte solcher Weise:
„Kenn’ ja selbst des Eisens Ursprung,
Weiß gar wohl des Stahls Entstehung:
Luft vor Allem ist die Mutter,

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Wasser ist der ältste Bruder,

Eisen ist der jüngste Bruder,
In der Mitte steht das Feuer.“
     „Ukko, er, der Schöpfer oben,
Selber er, der Gott im Himmel
Schied das Wasser von den Lüften,
Von dem Wasser dann die Erde,
Ungeboren war das Eisen,
Ungeboren, konnt’ nicht wachsen.“
     „Ukko, er, der Gott der Lüfte,

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Rieb sich seine beiden Hände,

Drückt sie beide an einander
Auf des linken Kniees Spitze;
Da entstanden drei der Mädchen,
Drei der schönsten Schöpfungstöchter,
Mütter von dem Eisenroste,
Von dem Stahl mit blauen Munde.“
     „Fingen schwankend an zu gehen,
Von dem Wolkenrand zu schreiten,
Ihre vollen Brüste strotzten,

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Daß die Warzen ihnen schmerzten,

Lassen ihre Milch zur Erde,
Ihrer Brüste Fülle fließen
In die Erde, in die Sümpfe,
In die schlummerreichen Wogen.“
     „Schwarze Milch entsendet eine,
Die an Jahren reichste Jungfrau,
Weiße Milch vergießt die zweite,
Welche in der Mitte stehet,
Rothe Milch zuletzt die dritte,

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Die an Jahren allerjüngste.“

     „Wo die schwarze Milch geflossen,
Da entstand das weiche Eisen,
Wo die weiße Milch vergossen,
Da ward harter Stahl geschaffen,
Wo die rothe Milch geströmet,
Da ergab sich sprödes Eisen.“
     „Dauerte ein kurzes Weilchen,
Will das Eisen schon besuchen
Seinen lieben ältern Bruder,

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Will das Feuer kennen lernen.“

     „Doch das Feuer raset furchtbar,
Wächst gar sehr mit seinen Kräften,
Will den Armen da verbrennen,
Seinen lieben Eisenbruder.“
     „Doch das Eisen flieht von dannen,
Rettet sich durch rasches Laufen
Aus des tollen Feuers Fäusten,
Aus der bösen Flamme Rachen.“
     „Darauf fliehet fort das Eisen,

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Fliehet es und nimmt die Zuflucht
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_040.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)