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viele Pastoren für nicht rein lutherisch in der Lehre hielten. Backmeister mußte in der That seinen Gesenius wieder zurückziehen und der Sötefleisch blieb in alleiniger Geltung. Nach langen und schweren Leiden am Nasenkrebse, die er mit größter Geduld und Ergebung getragen hatte, entschlief er am 2. December 1748.

Es folgte ihm Johann Hinrich Pratje. Er war 1710 in Horneburg geboren, wo sein Vater Brauer war. Seine Studien machte er in Helmstädt, wo der berühmte Mosheim damals lehrte; sie dauerten nur 2 Jahre. Seine erste pfarramtliche Thätigkeit entwickelte Pratje in Horneburg, wo ihm die zweite Stelle übertragen wurde; bald aber berief ihn der Geheime-Rath von Münchhausen, der seine Tüchtigkeit frühzeitig erkannte, als Prediger an die Wilhadikirche nach Stade und in Kurzem beförderte er ihn auch zum Consistorialrathe. Nach Backmeister’s Ableben wirkte Münchhausen bei dem Könige Georg II. so kräftig für seinen Schützling, daß Pratje schon einen Monat nachher seine Bestallung als Generalsuperintendent erhielt. Er war, als er sein wichtiges Amt antrat, erst 39 Jahr alt und hat dasselbe 41 Jahre hindurch mit großer Umsicht und rastlosem Eifer verwaltet. Seine Wirksamkeit steht noch bis auf diesen Tag in großem und verdientem Ansehen, wenn man auch keineswegs alle seine kirchlichen Anordnungen gutheißen kann. Pratje stand an der Grenzscheide der alten kirchlichen Rechtgläubigkeit und der mit Macht hereinbrechenden s. g. Aufklärung. Während er für seine Person noch der kirchlichen Lehre zugethan war, wie seine Predigten zeigen, konnte er doch nicht umhin, der Zeitrichtung manche Zugeständnisse zu machen. Er suchte den alten Lehrgehalt möglichst zu retten, ihn in der Form aber dem neuen Geschlechte mundgerecht zu machen. Leider ging aber mit der Form auch der Inhalt nicht selten verloren. Aus diesem Bestreben Pratje’s entstand das neue Gesangbuch, welches er für unsere Provinz ausarbeitete und aus dem wir noch heute singen. Bei aller Pietät gegen Pratje läßt sich doch von diesem seinem Werke nicht günstig urtheilen; denn die darin enthaltenen Veränderungen der alten Kirchenlieder sind meistens Verschlechterungen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_154.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)