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auf die Seite gelehnt am diesseitigen Ufer und sahen traurig und müde aus. Der Mann wandte sich dann um und schaute in’s Dorf, wo über die Strohdächer der hohe Kirchthurm hervorragte, dessen Spitze mit goldenem Hahne geziert weithin leuchtete. Der von der Sonne bestrahlte Schnee blendete den Mann, er hielt die Hand vor die Augen. Es war noch Alles still, wenige Leute ließen sich blicken. Der Alte – es war der Küster des Dorfs – benetzte seinen Zeigefinger und hielt ihn einen Augenblick in die Höhe, um den leichten Lufthauch zu empfinden, der auf diese Weise bemerkbar wird, um dadurch die wahrscheinliche Richtung des kommenden Windes zu bestimmen. Alle Uferbewohner haben das Bedürfniß, über den Wind Gewißheit zu erlangen. Als er sich diese verschafft hatte, ging er langsam in’s Haus zurück; der Schnee knisterte unter seinen Füßen, es war, was man einen klingenden Frost nennt.

Durch die Flur des Hauses, auf welcher eine stattliche Kuh und zwei Schafe einträchtig neben einander lagen, ging er in den Raum, der zugleich Wohnzimmer, Küche und Schulstube war. Ein sehr einfaches schmuckloses Gemach. Weiße Wände ohne Verzierung, mit Ausnahme eines kleinen hölzernen Kruzifixes. Früher hatten ein paar Heiligenbilder daneben gehangen mit einem Strahlenschein von blitzendem Messingblech um das Haupt; seitdem aber das Dorf sammt Pfarrer und Küster lutherisch geworden war, waren sie von der Wand verschwunden. Das Christusbild war jedoch ein theures Andenken aus des Mannes trüber Jugend, und er hatte es nicht entfernen mögen. Ein Ofen war nicht im Zimmer, denn das war damals ein Luxusgegenstand, den nur vornehme Leute sich erlaubten; ein Kamin vertrat seine Stelle und diente zugleich als Küchenheerd. Eine alte Magd saß an demselben und hatte eben das Milchmuß fertig, das mit Schwarzbrod und Salz als Morgenimbiß von beiden schweigend am Feuer verzehrt wurde. Auf dem Fensterbrette war mit roher Kunst eine Art Sonnenuhr angefertigt, ein wichtiger Gegenstand für den alten Küster, um die Betglocke zu rechter Zeit ziehen zu können. Leider hatte er den Kummer, daß sein hölzerner

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Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_124.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)