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Flugschriften wie Brandraketen durch Deutschland flogen und alle Bischöfe aus ihrem Taumel aufschreckten, ließ er Thaler schlagen mit der Umschrift „Elige cui dicas.“ Die Ergänzung dieser Worte giebt der Vers des Ovid – Tu mihi sola places. (A. A. 1, 42.) Welch ein Maß von Schamlosigkeit bei einem Mann, der ein christlicher Bischof sein wollte und den Anflug von classischer Bildung, welcher aus seiner Jugend zurückgeblieben war, auf so unwürdige Weise zur Schau trug. Buhldirnen waren damals die Begleiter fast aller Geistlichen; der kleinste Dorfpfaffe wie der höchste Würdenträger der Kirche trug diese Schande mit sich herum. Diese Schmach wurde damals nicht nur von dem katholischen Clerus entschuldigt, sondern im Gegensatz zu den Ehen der protestantischen Geistlichen öffentlich vertheidigt. (Sleidan. de stat. reip. cap. 4.) Die Buhlerinnen waren nicht gekleidet, wie andere Frauenzimmer; ihr Anzug bewies schon, daß sie „an der Unehren“ saßen. Die Mode jener Zeiten verlangte bei ehrbaren Frauenzimmern dunkle, fest anschließende, wenig kleidsame Gewänder mit steifen Falten und unbehülftichem Schnitt. Die geistlichen Dirnen aber trugen andere Gewänder von hellen Farben und leichten hübschen Formen. Statt des hohen weißen Kopfputzes von gestreiftem Leinen trugen sie ein seidenes faltiges Tuch mit herabhängenden Spitzen. Noch jetzt sieht man im Dom zu Lübeck das Bild einer solchen bischöflichen Buhlerin in Holz geschnitzt, phantastisch gekleidet mit turbanartigem Kopfputz, ein Bild überraschend durch große Schönheit, wie durch die tiefe Zerknirschung in den Gesichtszügen und gerungenen Händen der Sünderin.

Der Erzbischof war sittenlos – seine Untergebenen waren es nicht minder. Am Dom zu Verden und den damit in Zusammenhang stehenden Einrichtungen lebten zur Zeit der Reformation etwa hundert Geistliche als Domherren, Rectoren, Collegiaten, Vicare u. s. w. Sie waren im Stande, die Meßformulare abzulesen und etliche Litaneien zu singen, welche aber höchst selten einer von ihnen dem Sinne nach verstand. Dies geistlose Geschäft schloß, wie sie meinten, die volle Gewährleistung der Seligkeit in sich; ihr übriger Lebenswandel mochte beschaffen sein, wie er

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 095. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_095.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)