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er doch ein Christ war, mit einer Heidin ein Ehebündniß einzugehen verlangte. Hengist, in seiner Klugheit, und gewiß über des Königs Leichtsinn, berieth sich stracks mit seinem Bruder Horse und den übrigen Aeltesten, die bei ihm waren, was er mit des Königs Begehren machen sollte. Aber Alle hatten einstimmig den Rath, daß die Maid dem Könige gegeben würde, und daß sie dafür von ihm die Provinz Candia fordern müßten. Man zögerte nicht: gegeben wurde das Mädchen dem Vortigern und die Provinz Candia dem Hengist, ohne daß der Graf Gorangan, der in derselben regierte, davon wußte. Also feierte der König seine Hochzeit mit der Heidin, die ihm über die Maßen gefiel. Er gerieth dadurch sehr bald in Feindschaft mit den Vornehmsten und mit seinen Söhnen: er hatte nämlich früher Söhne gezeugt, deren Namen waren Vortimer, Katigern und Pascenz.“

Auffallen muß es, daß die britischen Namen des Königs Vortigern (Für dich gern), und seiner Söhne Vortimer (Für dich mehr) und Katigern (Ich hab dich gern) rein Sächsisch lauten (nur Pascenz ist ein lateinischer Name): eben so die Provinz Candia (die Kante des Landes): auch in dem Namen der Jungfrau Rowen (Rauben) erkennt man leicht das Gewand der Sage (in einem andern Berichte wird sie freilich Rowenix, Raubenichts, genannt). Und wer weiß, ob nicht der weiße Hengst, das Orakel der Deutschen, und im gewissen Sinne der Anführer der Ankömmlinge (dessen Bild noch jetzt unsere Landesmünzen ziert) in einen Menschen, und das britische Wort dafür, horse, in dessen Bruder ist verwandelt worden? Auffallend bleibt es wenigstens, daß zwei Brüder mit gleichem Namen zugleich Heerführer gewesen sein sollen. Aber das Wahre in der Erzählung leuchtet dennoch durch: die Sachsen wurden von König Vortigern zur Hülfe gegen seine Feinde in’s Land gerufen, und ihnen dafür vertragsmäßig eine Provinz eingeräumt. Auch die Stellung der Stammeshäupter, deren Rath der Herzog einholen mußte, ist altgermanisch. Der Schlachtruf Hengist’s soll gelautet haben: nimed eure saxes (nehmt eure Messer!). Vergl. Lappenberg’s Geschichte von England, Th. 1. Seite 78.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 046. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_046.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)