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Tacitus (Germania Kap. 35) erzählt in seiner gedrängten Sprechweise Folgendes:

„Im Norden Deutschlands der Volksstamm der Chauken, fängt an von den Friesen, und hat einen Theil des Meeresufers inne, dehnt sich aber auch zur Seite aller vorher genannten Stämme aus, bis er sich zu den Katten hin krümmt. So ungeheuren Länderraum besitzen nicht nur, sondern erfüllen auch die Chauken. Das edelste Volk unter den Germanen, und welches seine Größe am liebsten durch Gerechtigkeit schützt: ohne Begier, ohne Unbändigkeit, ruhig und zurückgezogen, rufen sie keine Kriege hervor, verwüsten nicht durch Plünderungs- oder Raubzüge. Und das ist ihrer Tapferkeit und ihrer Kräfte bester Beweis, daß sie, den Vorrang zu haben, nicht durch Ungerechtigkeit erlangen. Bereit jedoch sind Allen die Waffen, und wenn es Noth thut, das Heer, Männer und Rosse in Menge; und ruhend haben sie denselbigen Ruf.“

Man sieht es dieser Schilderung an, daß sie blos nach Hörensagen gemacht ist, und stark idealisirt. Aber wichtig bleibt für die Geschichte die Unterscheidung der Friesen oder Küstenbewohner, und der Chauken oder Geestleute. Letztere werden nach Ausbreitung und Volksmenge übertrieben vergrößert: aber ihre Grenzen, von der Elbe bis an den Rhein, und südlich bis an die Katten oder Hessen, scheint etwa das jetzige Niedersachsen und Westphalen umfaßt zu haben. Die Gerechtigkeit und Friedensliebe der Chauken, neben Achtung gebietender Kriegsbereitschaft, so wie ihr Vorrang vor allen deutschen Stämmen, sind ebenfalls verschönert dargestellt: aber immerhin mögen die Nachkommen sich dieses Lob zum Vorbilde dienen lassen. Noch bemerke man, wie die Friesen schon damals sich durch Freiheitsliebe vor den Chauken auszeichneten. Denn Letztere dienten als Söldner im Heere des römischen Feldherrn Civilis[1] (Tacit. Histor. 4, 79. 5, 19); jene hingegen sträubten sich fortwährend gegen die unterjochende Politik der Römer (daselbst 4, 72. 13, 54).


  1. [273] Zeile 3 v. u. ist irrthümlich der batavische Häuptling Civilis genannt, statt des römischen Feldherrn Cerialis. Daß aber die Chauken williger als die Friesen das Römische Joch trugen, sieht man besonders aus Tacit. Annal. 1, 60 vergl. mit 4, 72.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 044. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_044.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)