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(des Klima’s) den Schatten. Die höchsten aber sind nicht fern von den genannten Chauken; vornämlich um zwei Seen her. Bis an die Ufer stehen Eichen vom üppigsten Wachsthume, und durch die Wellen untergraben, oder vom Winde getrieben, führen sie große Inseln durch die Verflechtung ihrer Wurzeln mit sich fort, und also feststehend, schiffen sie vermöge des Geräths ihrer mächtigen Aeste: so daß oft unsere Flotten geschreckt wurden, wenn jene Inseln, wie mit Fleiß, durch die Wellen auf die Schiffs-Vordertheile der bei Nacht vor Anker Liegenden getrieben wurden, und Letztere, rathlos, was zu thun sei, ein Seetreffen gegen Bäume begannen.“

Dieser Bericht ist dadurch so wichtig, weil Plinius aus eigner Anschauung redet, indem er mit einer römischen Flotte an die Mündung der Elbe gelangte. Was er sah und beschreibt, sind also die noch uneingedeichten Elbmarschen; und wenn er große und kleine Chauken unterscheidet, so scheint jenes die Geestbewohner, dieses die Marschleute (bei Tacitus Friesen genannt) zu bezeichnen. Wie sehr nun auch unsere Kehdinger, Hadeler u. s. w. zu dieser Beschreibung ihres Landes lächeln mögen, sie ist doch vollkommen naturgetreu, wenn man sich die schützenden Deiche hinwegdenkt. Ebbe und Fluth, die auf Worthen belegenen Wohnungen, die Seefische als Nahrung, der Backtorf als einziges Brennmaterial, das Reeth, woraus Stricke geflochten werden, und endlich die Wasser-Cisternen – das Alles sehen wir hier vor Augen, wie es sich noch jetzt z. B. auf den uneingedeichten Elbinseln findet. „Und dies armselige Volk,“ ruft der stolze Römer aus, „achtet unsere Herrschaft für Sclaverei! nicht wissend, daß er damit dem Freiheitssinne der Bewohner eine Lobrede hält.“

Weiterhin bewundert Plinius „das schwimmende Land,“ desgleichen sich bekanntlich noch jetzt bei Waakhausen im Amte Osterholz findet. Und wenn er unsere Eichen als die schönsten und höchsten in ganz Deutschland preiset, so wollen wir es ihm zu Gute halten, daß er den Kampf der römischen Flotte gegen die schwimmenden Bäume etwas in’s Romanhafte ausmalt.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 043. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_043.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)