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erscheint, möchte man in einiger Hinsicht sie sogar einer Selbstbiographie vorziehen dürfen. Denn auch dem edelsten, reinsten Gemüthe wird es schwer, in allen Eigenthümlichkeiten des Charakters, in allen Ereignissen des Lebens, der Welt sich zu zeigen und ihr ganz aufrichtig von allen seinen Verhältnissen und Handlungen Rechenschaft abzulegen. Wahrheit und Dichtung vereinigen sich wider Wissen und Willen des Verfassers nur zu oft in einem solchen Werke, wenngleich der Titel dieses nicht immer kund thut, weil Jener selbst sich dessen nicht bewußt ist. In vielen Fällen ist man sich selbst nicht klar, in andern hemmen Berücksichtigungen oder Bescheidenheit den freien Erguß des Gemüths. Doch im Gespräch, einem bewährten Freunde gegenüber, wäre es auch nur mit der Feder in der Hand, da geht das Herz auf und ergießt sich ohne Rückhalt und Bedenklichkeit. Kügelgen war in solchen Stunden der offenste aller Menschen und durfte es sein, denn in seinem reinen, echt kindlichen Wesen lag nichts, was er wünschen konnte, Denen, die ihn liebten, zu verbergen, und das thaten Alle die ihn kannten.

Was hier von der Jugendgeschichte Gerhards von Kügelgen bis zu dessen Verheirathung erzählt wird, habe auch ich selbst aus seinem Munde vernommen;

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_319.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)