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horchte auf ihn, wie auf ein Orakel. Die widersprechendsten Gerüchte durchkreuzten sich alle Morgen, manchen derselben merkte man es an, daß sie an Ort und Stelle selbst entstanden waren. Doch bewegten sie alle Gemüther, schnell wie ein Lauffeuer gingen sie von Mund zu Mund, wurden geglaubt, wurden bestritten, bis der folgende Tag wieder etwas Neues brachte, das dann gewöhnlich auch nur vierundzwanzig Stunden vorhielt. Mit den Privatbriefen ging es nicht besser, als mit den Zeitungen. Ein Badegast in Karlsbad ist wie aus der übrigen Welt verbannt, und in Hinsicht der Nachrichten von den Seinen zu Hause nicht viel besser daran, als wäre er in Amerika, denn die Posten gehen unglaublich unordentlich. An Posttagen war der Posthalter ein beneidens- und beklagenswerther Mann. Oft in dreifachen Reihen standen des Morgens die liebenswürdigsten Damen dicht an einander gedrängt vor seinem Schiebefensterchen, und achteten nicht den Regen, und gaben ihm die freundlichsten Worte und Blicke, um Briefe zu erhalten. Leider konnte der arme Mann nur Wenige erhören. Triumphirend gingen nun diese von dannen, mit wenigstens drei Wochen alten Nachrichten, die sie noch unterwegs begierig lasen, mit trüben langen Gesichtern schlichen

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_291.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)