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harten Erde aufschlagen machte. Sie traf die zarte Schläfe des schönen Hyazinth. Der Gott eilt hinzu, nimmt den blutenden Knaben auf den Schooß, wie um Hülfe flehend umschlingt dieser seinen Hals mit den Armen, die im nämlichen Augenblicke im Tode erstarrend wieder niedersinken.

Diesen Moment wählte der Künstler zu seiner Darstellung. Das Gemälde ist fast über Lebensgröße gehalten. Selten wird schon ein Werk von diesem Umfange in unsern beengten Zeiten hervorgebracht. Ohne alle Bekleidung, die zierlichen Sandalen ausgenommen, sitzt Apoll auf seinem ihm eben von der Schulter sinkenden Purpurmantel. Das goldene, schön geordnete Haar, der glänzende Köcher auf dem Rücken bezeichnen den Gott des Tages. In vorgebeugter forschender Stellung hält er den zwischen seinen Knieen sterbend hinsinkenden Knaben mit den Armen umschlungen. Den Kopf des Gottes sieht man im Profil, aber wie beschreibe ich Ihnen dies schöne Gesicht und seinen Ausdruck, dieses ernste, an Angst grenzende Forschen nach Leben, nach möglicher Rettung, dies innere Zürnen über das auch von den Göttern nicht abzuwendende Geschick? Er muß den schönen Liebling hülflos untergehen sehen, er vermag es nicht, ihn zu sich in den Olymp zu erheben.

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_273.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)