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traf er auch hier das Rechte. Nach dem Urtheile Aller, die Herder kannten, ist dies Portrait bei Weitem das ähnlichste von allen, die je von ihm gemacht wurden, selbst seine Wittwe und Tochter sahen es mit wehmüthiger Freude und erkannten es an. Nur diese hellen, schön geschweiften Augen waren in der Natur durch Krankheit lange Zeit verdunkelt, er litt an einer Augenkrankheit, dies trübte den Blick und zog die Augenlieder herab; aber mußte Kügelgen uns die Krankheit malen? Nein, so blickte Herder in gesunden Tagen, und so gab ihn uns der fühlende Künstler. Von allen läßt dies Bild sich am wenigsten beschreiben, es ist so einfach, so voll Wahrheit, Du mußt es sehen, oder Du erfährst nichts davon; die herrlich gewölbte, im hellsten Licht fast verklärte Stirn, welche Gedanken mußten in diesem Tempel hausen! Die braunen lebensvollen Augen blicken unter den gewölbten dunkeln Augenbraunen hervor, als sähen sie in ein besseres Land; auf diesen Lippen thront die Beredsamkeit. Sie geben uns Griechenlands und Spaniens Gesänge und das Lebensreichste aller Zeiten.

Das Bild ist mit eben der Liebe gemalt, als die andern; Stellung und Anordnung sind höchst einfach und das Ganze spricht zum Herzen, wie Herder einst

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_268.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)