Seite:Jugendleben und Wanderbilder II 184.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

die mit ihnen vorgehen soll. Nur Liebe allein, keineswegs seine äußern Verhältnisse, zwingen diesen edlen Menschen zu so beispielloser Aufopferung. Massieu ist nicht nur von sehr gutem Herkommen, er ist auch wohlhabend genug, um nach eigner Wahl ein so genußreiches Leben zu führen, als er bei der unglücklichen Mangelhaftigkeit seiner Sinne es nur könnte; er besitzt ein jährliches Einkommen von zwölf- bis vierzehntausend Franken. Aber Dankbarkeit, das Gedächtniß des Herzens, wie er dieses Gefühl einst so wahr als schön definirte, fesselt ihn unaufhörlich an seinen Lehrer und Wohlthäter; sich von diesem und seinen Schützlingen zu trennen ist ein Gedanke, den er gar nicht zu fassen vermag.

Daß Massieu, als sechzehn- oder achtzehnjähriger Jüngling, in jener furchtbaren Schreckenszeit, an welche die Welt noch mit Schaudern denkt, seinen geliebten Sikard aus dem Gefängnisse rettete, wo das damals nichts verschonende Eisen der Guillotine schon über ihm hing, war einst allbekannt; ist jetzt wahrscheinlich schon vergessen, und so darf ich mir wohl erlauben, hier wieder daran zu erinnern. Jedes Zeichen der Theilnahme an dem Geschick eines als verdächtig Eingezogenen galt damals als Hochverrath an der Majestät des Volkes und zog unvermeidlichen

Empfohlene Zitierweise:
Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_184.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)