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darüber unten in dem schauerlichen Abgrunde, an dessen Rande die Mauer hinläuft, den schmählichsten Tod gefunden, aber doch immer neue verliebte Thoren sich gemeldet hätten, um das Wagstück zu bestehen, das Keinem gelang. Bis endlich Einer kam, der sein Pferd auf dieses bedenkliche Reiterkunststück gehörig abgerichtet hatte, und der wirklich das ganz Unerhörte vollbrachte. Stolz und trotzig schlug er die ihm jetzt willig dargebotene Hand aus; ob aber die Ohrfeige, die er dem Fräulein bei der Gelegenheit gegeben haben soll, eine Erfindung des Herrn Kommandanten ist, wage ich nicht zu entscheiden; ritterlich wäre dieser Zusatz zu seiner abschlägigen Antwort freilich nicht, wenn gleich auch nicht ungerecht, zu nennen. Die Nemesis aber hat auf wirklich schmähliche Weise das Andenken der holden Kunigunde der spätesten Nachwelt zur Rache übergeben; ein großer alter ganz abscheulicher hölzerner Puppenkopf mit langen fliegenden Haaren passirt für ihr Bildniß; und Handwerksbursche und Bauern, die an Sonn- und Festtagen oben ihr Bier trinken, treiben allerlei Unfung damit, indem sie einander zwingen wollen, das Fräulein Kunigunde zu küssen.

Hinter dem Kynast geht der Weg noch ein bis zwei Stunden durch dies breite lachende Thal, längs

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_140.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)