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war, nur einen aufzufinden, der etwas deutsch verstand und uns in dieser Sprache Rede stehen konnte. Die Postillone, die Mägde und Aufwärter in den Gasthöfen, die Bauern, Alle sprachen und verstanden nur das Kauderwelsche, das hier die Landessprache ausmacht und die Annehmlichkeit unserer Reise unter diesem armseligen, schmutzigen, auf der niedrigsten Stufe menschlicher Kultur stehenden Volke wurde dadurch nicht erhöht.

In Oestreich und Mähren war die Kornernte schon in vollem Gange, in Böhmen hatte sie noch nicht begonnen. Aber auch dort hatten wir nichts von dem fröhlichen Gewimmel erblickt, das im nördlicheren Deutschland die Erndtearbeit zum Volksfeste umwandelt; kein lustiges Schnitterlied ertönte, keine frischen rüstigen Landmädchen sammelten unter Scherz und Lachen die Aehren in Garben. Ein einsames schmutziges Weib schnitt hier und dort ganz allein auf einem weiten Kornfelde mit der Sichel die Aehren ab, oder band sie in Garben. Der heitere Geist der Geselligkeit, der auch die schwerste Arbeit zum Spiele umwandelt, kann bei diesen armen verwahrloseten Menschen nicht einheimisch werden, die in Schmutz und Dunkelheit, mit umdüstertem Geiste, in halber Bewußtlosigkeit nur so eben hin vegetiren.

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_108.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)