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Unsere Nachbarschaft hatte inzwischen durch den Nachfolger des unlängst verstorbenen Abtes in Oliva an Annehmlichkeit bedeutend gewonnen. An die Stelle jenes frommen Greises, der als ein geborner Pole nur die Sprache seines Landes kannte, in klösterlicher Zurückgezogenheit lebte, und an dem, was übrigens in der Welt vorging, keinen Antheil nahm, hatte der König von Preußen den Fürstbischof von Ermland aus dem Hause der Hohenzollern ernannt. Früher Militair, wenn ich nicht irre, Obrist in französischen Diensten, hatte dieser am Abend seines Lebens das ritterliche Schwert gegen den geistlichen Krummstab vertauscht, und zog den Aufenthalt in Oliva dem geistlichen Prunk seines Bisthums vor, um in ländlicher Einfachheit sich der letzten Strahlen seiner sinkenden Lebenssonne zu erfreuen.

Seiner hohen geistlichen Würde unbeschadet, war der Fürstbischof im reinsten Sinne des Wort, ein lebensfroher, mit den Convenienzen feinerer Geselligkeit wohlvertrauter Weltmann geblieben. Freilich verreiste er gern, um dem ermüdenden Pomp der Frohnleichnamsprozession zu entgehen, und die drei Predigten, die einzigen, die er sein Lebenlang zu halten verpflichtet war, wurden von einem Jahr zum andern verschoben, bis seine eigne Lebensuhr darüber ablief; aber er war

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_028.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)