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den unschätzbaren Gewinn davon, dem Leben manche wichtige Ansicht abzulauschen, die mir sonst ewig verborgen geblieben wäre; mais c’est tout comme chez nous! rief ich oft lachend bei der näheren Bekanntschaft mit den Sitten, der Denkungsart, den Grundsätzen der Landleute, die ich mit nie ermüdendem Interesse beobachtete.

Die Herren Poeten, besonders die aus meiner sentimentalen Jugendzeit, versündigen sich schwer an der Wahrheit, indem sie die große Treue, Redlichkeit, Frömmigkeit, Sittlichkeit des einfachen Landmanns auf unsre Kosten erheben. Jene sind wie wir, wir sind wie sie, Beide vom nämlichen Metall, nur die gröbere oder zierlichere Ausführung der Form bildet den einzigen Unterschied. Was wir an geistiger Kultur und wissenschaftlichen Kenntnissen vor dem Landmanne voraushaben, wird ihm durch den ihm angebornen Scharfblick, die ihm eigne Schlauheit und echten Mutterwitz oft in so hohem Grade ersetzt, daß unsre durch Erziehung verfeinerte Bildung kaum Schritt mit ihm halten kann.

Alles interessirte mich in Stutthof, und nicht bloß der Neuheit wegen; die eigentliche Landwirtschaft machte mir die größte Freude, an deren Spitze, zwar anfangs mit wenig Erfahrung, aber mit desto größerem

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_007.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)